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Streit um Streit auf Schöneberger Sozialamt

■ CDU sperrt sich gegen von Grünen und SPD beschlossenes interkulturelles Projekt zur Streßbewältigung. Einziger Beitrag der CDU: Zynismus. Bezirksbürgermeisterin Ziemer: "Burgmentalität unfähiger

In Schöneberg sorgen die Äußerungen eines CDU-Abgeordneten zum Umgang mit ausländischen Antragstellern auf dem Sozialamt für Aufruhr. Auf der Behörde gibt es seit geraumer Zeit große Spannungen: Sowohl deutsche als auch ausländische Antragsteller lassen ihren Frust an Mitarbeitern aus, diese fühlen sich überlastet und vergreifen sich schon mal im Ton. Wegen vieler Beschwerden haben die Grünen und die SPD Ende Mai in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) die Durchführung eines interkulturellen Trainings für die Mitarbeiter des Sozialamts beschlossen.

Der Schöneberger CDU-Abgeordnete Eberhard Opuchlik hat diesen Beschluß mit einem Redebeitrag kommentiert, der an Zynismus kaum zu überbieten ist und im Bezirk auf heftige Kritik stößt. „Wenn jetzt nun ein nichtdeutscher Besucher ins Amt kommt, dem irgendwie die Sozialhilfe gekürzt wurde und der nun ausrastet..., sind ja jetzt die Mitarbeiter geschult ... und wissen, wenn sie angespuckt werden..., daß das Kulturgut ist...“, heißt es im Wortlautprotokoll. Der auslösende Vorfall – eine Mitarbeiterin auf dem Sozialamt hatte einer Brüsselerin, die einen Wohnungswechsel beantragt hatte, die Rückkehr in ihre Heimat angeraten – sei gar nicht „so schlimm“. Statt dessen, so Opuchlik, sollte in den Ämtern ein Aushang angebracht werden „für die nichtdeutschen Besucher unter dem Titel ,Wie benehme ich mich in einem Gastland...‘ Denn wer kann sich denn hier nicht benehmen, die Mitarbeiter im öffentlichen Dienst doch sicher, wohl doch nicht ihre Klientel.“

Die Schöneberger Arbeitsgemeinschaft ImmigrantInnen- und Flüchtlingsprojekte bezeichnet Opuchliks Rede als „Beleidigung eines Drittels der Schöneberger Bevölkerung“. Auf einer Pressekonferenz am Mittwoch soll gegen „rassistische Äußerungen von Schöneberger Kommunalpolitikern“ protestiert werden. Ali Fathi vom „Büro gegen ethnische Diskriminierungen in Berlin und Brandenburg“ (BDB) fordert, Angebote zu machen, „um zur Verständigung zu kommen. „Wir können nicht nur meckern.“ Das Seminar der Alice-Salomon-Fachhochschule und des BDB soll Handlungsmöglichkeiten zum flexibleren und toleranteren Umgang aufzeigen.

Während sich die Mitarbeiter des Sozialamts weigern, das Seminar anzunehmen oder andere Modelle aufzuzeigen, versteckt sich Sozialstadtrat Bernd Krömer (CDU) hinter einer angeblich fehlenden „genauen Zeitangabe“ der Veranstalter, die sich bei der Terminwahl nach den Sozialamtsmitarbeitern richten wollen. Bezirksbürgermeisterin Elisabeth Ziemer (Bündnis 90/Die Grünen) beklagt, daß seit langem bekannt sei, daß es „unfähige Mitarbeiter“ auf dem Sozialamt gebe. Diese hätten mittlerweile eine „Burgmentalität“ entwickelt und fühlten sich von dem BVV-Beschluß als Ausländerfeinde diffamiert, was „zur Polarisierung“ beitrage. Auf dem Sozialamt gebe es „eine Beschwerde nach der anderen“ über Führungskräfte und anderes Personal.

Ziemer hat einerseits Verständnis für „den Streß und den Scheißjob“ und für die „Angst und Gewalt“, der die Mitarbeiter zum Teil ausgesetzt sind – eine Mitarbeiterin wurde angegriffen, eine Glastür zertrümmert, Leute kommen besoffen aufs Amt. Doch andererseits würden keine Instrumente zur Verbesserung entwickelt, kritisiert sie. Der Widerstand beim Sozialamt kommt nach Angaben von Ziemer von „zwei bestimmenden Leitungskräften“ und „einigen blockenden Mitarbeitern“. Solange diese weiterhin im Amt seien, bleibe alles beim alten. Ziemer hat ihrer Fraktion empfohlen, die Mitarbeiter des Sozialamts zu einem Gespräch einzuladen.

Die Gesundheitsstadträtin von Kreuzberg, Ingeborg Junge-Reyer (SPD), der die Problematik auf Sozialämtern ausreichend bekannt ist, gibt zu bedenken, daß bestimmte Anordnungen „nur bis zu einem gewissen Grad von oben“ kommen könnten. Wenn Vorschläge in einem Beschluß mündeten, hätten diese oftmals den „Charakter einer heftigen Kritik“. Es sei besser, „in den Diskurs zu gehen“. In Kreuzberg betreibt nach ihren Angaben der Arbeitsmedizinische Dienst in Absprache mit den Mitarbeitern eine erfolgreiche Konflikt- und Streßbewältigung. Barbara Bollwahn

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