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■ Die Rezession in Japan färbt kaum auf Europa ab. Denn trotz Globalisierung ist die Weltwirtschaft vorwiegend regional strukturiertDie neue Weltwirtschafts(un)ordnung

„Die Krise entwickelt sich großartig.“ Von solcher Euphorie, wie sie sich dutzendweise im Briefwechsel von Marx und Engels findet, ist heute nichts zu spüren. Weltwirtschaft und Weltrevolution passen nicht so gut zusammen wie seinerzeit gedacht. Krisenmanegement ist auch auf der Linken gefragt.

Der Erfolg der amerikanischen und der japanischen Notenbank vom letzten Mittwoch hat zumindest das G-7-Treffen mit mehreren asiatischen Ländern am Wochenende in Tokio vom Druck einer akuten Währungskrise und fallender Kurse an den internationalen Börsen befreit. Ob diese Beruhigung vorhält, ist fraglich.

Daß sich die US-amerikanische Notenbank zu der Intervention entschloß, hatte zwei Gründe. Einerseits wurde eine Vorleistung erbracht, um von der japanischen Regierung nachdrücklich eine Ankurbelung der Binnenkonjunktur verlangen zu können. Zum anderen erfolgte die Intervention mit Blick auf China, das andeutete, so seinen Wechselkurs kaum halten zu können. Das aber müßte zu einem neuen Abwertungsreigen in ganz Ostasien führen und könnte alle Stabilitätsbemühungen des IWF scheitern lassen.

Diese Konstellation ließ Pierre- Antoine Delhommais in einem Leitartikel von Le Monde zu dem Schluß kommen: „China ist am Mittwoch zum ersten Mal als Währungsgroßmacht anerkannt worden.“ Clinton wird mit dieser neuen Rolle Chinas als Stabilitätsanker des südostasiatischen Kapitalismus alsbald konfrontiert sein.

Um die währungspolitische Vorleistung gegenüber Japan umzumünzen, forderte der stellvertretende US-Finanzminister Lawrence Summe noch vor Beginn des G-7-Treffens, daß Japan seine Bankenkrise entschärfen müsse. Faule Kredite sollen abgeschrieben, insolvente Banken nicht länger staatlich gestützt werden. Die Bankenkrise wird von Japan seit Anfang der 90er Jahre verschleppt. Damals platzten bereits einige überzogene Immobilienkredite. Beim G-7-Treffen wurden nun die gängigen Deregulierungen und eine Steuerreform angemahnt.

Mit alldem tut sich die japanische Regierung schwer. Bisher galt das japanische System als besonders erfolgreich. Es beruht auf einer engen Verquickung von Staatsbürokratie und Wirtschaft, also von Beamten mit Unternehmen und Banken. Ob die Regierung da viel bewegen kann, gilt als zweifelhaft, nicht zuletzt bei der Bevölkerung, wie die regelmäßig niedrige Wahlbeteiligung zeigt. Ohne Vertrauen in die Regierung und bei äußerst niedrigen Zinsen im Inland sind US-Staatsanleihen allemal attraktiver. Japan steckt in der Rezession. Auf das Jahr hochgerechnet, ist nach dem ersten Vierteljahr mit einem „Minuswachstum“ von an die fünf Prozent zu rechnen.

Die Japaner sind zum ersten Mal seit Jahrzehnten mit einer größeren und steigenden Arbeitslosigkeit konfrontiert. Weil Arbeitsplätze und Zukunft unsicher scheinen, verstärkt sich die ohnehin stark ausgeprägte Sparneigung. Dazu kommt eine zweiprozentige Mehrwertsteuererhöhung, die zusätzlich die Nachfrage bremst. Begründet wurde sie als Maßnahme gegen das wachsende Staatsdefizit.

Die staatliche Schuldenpolitik ließ zum Beispiel den Kommentator des Tagesspiegels, Bernd Ulrich, feststellen: „Wenn Japan derzeit, rein theoretisch, die Teilnahme an der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion beantragen wollte, hätte es keine Chance, aufgenommen zu werden. Es würde die Defizitkriterien bei weitem verfehlen. Die Nettoneuverschuldung Japans beträgt 12 Prozent, erlaubt wären drei. Der ehemalige Klassenprimus des globalen Kapitalismus steckt knietief in Schwierigkeiten.“

Die nicht zu überhörende Häme in vielen deutschen und westeuropäischen Zeitungen vermischt sich allerdings meistens mit der Sorge, daß die asiatische Krise nun endgültig auf die Weltökonomie durchschlagen könnte. Und damit würde das aufkeimende europäische Konjunkturpflänzchen erstickt, bevor es zur Blüte gelangt.

Die Bundesbank macht sich in ihrem jüngsten Konjunkturbericht freilich keine allzu großen Sorgen. Im ersten Vierteljahr 1998 ist der Export real um fast 15 Prozent und damit deutlich mehr als der Welthandel gewachsen. Umsatzeinbußen auf den asiatischen Krisenmärkten sind durch eine lebhaftere Nachfrage in Europa und in den USA mehr als ausgeglichen worden. Überdurchschnittlich sind die Lieferungen auch in die mittelosteuropäischen Reformländer (plus 27 Prozent) gewachsen.

Das bedeutet: Trotz der Liberalisierung des Welthandels und der Globalisierung ist der Weltmarkt immer noch stark regional verfaßt. Er hat drei Zentralregionen: Amerika mit den USA als Zentrum, Europa mit dem europäischen Binnenmarkt als entscheidendem Faktor und Ostasien mit Japan als traditionellem Zentrum und China als aufstrebender Wirtschaftsmacht, die noch für manche Überraschung gut ist.

Die ökonomischen Konjunkturen in diesen Regionen sind nicht gleichgeschaltet – kein Wunder, wenn man in Betracht zieht, wie unterschiedlich diese Gesellschaften strukturiert sind. Allesamt unterscheiden sie sich noch immer bis in die Grundlage kapitalistischer Produktionsweise hinein. Diese Unterschiede lassen regionale Krisen nicht sofort und in gleicher Weise auf die Weltwirtschaft insgesamt wirken. Deshalb kam es in den letzten 50 Jahren zu keiner tiefen Weltwirtschaftskrise.

Die Modelle dieser Weltwirtschaft verschieben sich mit den regionalen Konjunkturen. Am Anfang standen die USA. Dann stieg Europa auf, und zuletzt vor zehn Jahren galt Japan als Top-Modell. Daher rührt die Häme über seine Falten im Gesicht. Jetzt gelten die USA erneut als Vorbild. Die Methoden, Krisen zu überwinden, orientieren sich gegenwärtig immer mehr an diesem Modell, dem US- amerikanischen. Wirtschaft, Gesellschaft und Staat der USA nähern sich dem Begriff des Kapitals am meisten. Zugleich sind sie etwas Besonderes.

Dreierlei könnten die jüngsten Entwicklungen, für die die europäische Krise der letzten Jahre nicht weniger steht als heute die Asienkrise, erweisen. Manche Gesellschaften zerbrechen auf dem amerikanischen Weg. Zweitens wird eine Weltgesellschaft auf einheitlichem Weg anfälliger für allgemeine Krisen werden. Und, last, not least, werden die USA zu schwach sein, um die Welt auf diesem Weg zu führen – auch wenn die USA in der letzten Woche politisch stark genug waren, um mit wenigen Milliarden Dollar ein Wegzeichen zu setzen. Joscha Schmierer

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