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Plutonium-Affäre verglüht im Abschlußbericht

■ Untersuchungsausschuß beendet seine Arbeit nach drei Jahren ohne Einigung: SPD und Grüne bleiben bei „medienwirksamer Inszenierung“. Koalition sieht nur einige Ungereimtheiten

Bonn (AFP) – Trotz dreijähriger Arbeit des Bonner Plutonium- Untersuchungsausschuß bleiben große Teile der Affäre um den spektakulären Atomschmuggel von Moskau nach München im Jahr 1994 im dunkeln. Der Ausschuß übergab gestern seinen Abschlußbericht an Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth. Dabei konnten sich die Parteien nicht auf eine gemeinsame Bewertung des Falls einigen: Koalition, SPD, Bündnis 90/Grüne und PDS legten jeweils eigene Berichte zur Einschätzung des Plutonium-Deals vor. Während die Opposition davon ausgeht, daß deutsche Behörden das brisante Geschäft provoziert hatten und das Kanzleramt dies zumindest billigend in Kauf nahm, weisen Union und FDP diesen Vorwurf zurück. Es gebe keinen Beleg für eine Inszenierung aus Wahlkampfgründen.

Der Untersuchungsausschuß sollte den hochgefährlichen Transport von 363 Gramm Plutonium in einer Linienmaschine von Moskau nach München im Sommer 1994 klären. Die Schmuggler waren in München von der Polizei in Empfang genommen und später wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden.

In der Bewertung der Koalition heißt es, es sei zwar schwer nachvollziehbar, weshalb Bundesnachrichtendienst (BND), Polizei und Staatsanwaltschaft davon ausgingen, daß das Material schon in Deutschland sei. Doch sei es unter anderem wegen falscher Angaben eines BND-Mitarbeiters erklärlich. Auch sei mindestens ein V-Mann „außer Kontrolle geraten“ und habe die Behörden falsch informiert.

Die SPD hingegen stellt fest, „allen Beteiligten und Verantwortlichen“ sei schon vor dem Start der Lufthansa-Maschine in Moskau bekannt gewesen, daß das Plutonium im Flugzeug sein würde. Damit sei medienwirksam ein „Fahndungserfolg“ präsentiert worden. Die politische Verantwortung trage Schmidbauer, der „in vollem Umfang über den Plutonium-Deal informiert war und die dortigen Abläufe stillschweigend duldete“. Schwer vorstellbar sei, daß Bundeskanzler Kohl davon nichts wußte. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen die Grünen.

Als Konsequenz fordern die Grünen die Auflösung des BND, die SPD will die Kontrolle der Behörde durch einen Geheimdienstbeauftragten. Der Ausschußvorsitzende Gerhard Friedrich (CSU) räumte ein, daß große Teile der Affäre nicht aufgeklärt werden konnten. So ist bis heute nicht klar, woher das Plutonium stammte. Unter anderem blieben die in Madrid spielende Vorgeschichte des Deals sowie die Abläufe in Moskau weitgehend im dunkeln.

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