Selbstmord in schönster Verssprache

■ Der Geschichtenerzähler Luc Bondy gastiert mit Racines Phèdre im Thalia Theater

Mit Emanuelle Béart in der Hauptrolle hat Luc Bondy es letztes Jahr geschafft, uns ins Thalia Theater zu Strindbergs Mit dem Feuer spielen zu locken. Diesmal wird es schwieriger werden, das Haus voll zu kriegen. Mit Racines Phèdre ist nicht so leicht hinter dem Ofen vorzulocken – und Juliette Binoche spielt nun doch nicht mit.

Der zwischen dem deutschen Sprachraum und Frankreich pendelnde Bondy hat in den letzten Jahren mehrere erfolgreiche Inszenierungen großer Autoren mit hervorragenden Schauspielern auf Europatournee geschickt. Oft hat er sich dabei nicht die ganz großen Hits ausgewählt und auf diese Weise manches fürs Theater wiederentdeckt. Diesmal könnte es ein Autor sein: Jean Racine, selten präsent im deutschen Theater, schrieb Mitte des 17. Jahrhunderts zehn große Dramen mit deutlich mehr Subtilität und Eleganz als der etwas gröbere Zeitgenosse und Tragödienkonkurrent Corneille.

Phädra ist die von Euripides erstmals dramatisierte Geschichte der Königin, die ihren Stiefsohn Hippolytos liebt. Als der König vermeintlich tot ist, gesteht sie Hippolytos ihre Liebe, doch der verehrt die vom König gefangene Arikia. Als der König zurücckehrt, nehmen Intrigen und Tragödien ihren Lauf, der im Mord an Hippolytos und dem Selbstmord Phädras endet.

Zwei große Interpretationen hat dieser Stoff in den letzten Jahren erlebt. Das überregionale Feuilleton ist sich uneinig, ob Bondys Inszenierung (die schon in Lausanne und Wien zu sehen war) dazu gehört. Erich Wonder hat ein gekonnt reduziertes Bühnenbild entworfen. Luc Bondy arbeitet darin mit großer Behutsamkeit, aber auch viel Theatralik vor allem an der schönen, wenn auch nicht einfachen Verssprache Racines. Eine radikale Neubelebung eines klassischen Stoffs darf man nicht erwarten, aber die Arbeit eines Regisseurs aus der aussterbenden Gattung der versierten liebevollen Geschichtenerzähler. Das braucht dieses Stück sehr – ob das Theater das braucht, muß sich zeigen.

Matthias von Hartz

Freitag/Samstag, 26./27. Juni, 20 Uhr, Thalia Theater