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Hools wurden nicht von Rechten gesteuert

Vor der WM hatten deutsche Behörden ihren Kollegen in Frankreich Namenslisten von potentiellen Gewalttätern angeboten. Sie lehnten jedoch ab. Deutsche Szene soll nicht von Rechten unterwandert sein  ■ Aus Berlin Annette Rogalla

Daß Hooligans zu Hunderten nach Frankreich fahren wollten, haben deutsche Behörden bereits im Vorfeld der WM gewußt. Ein großer Teil der potentiellen Gewalttäter war ihnen vor Wochen namentlich bekannt. Eine Reihe von Landeskriminalämtern hatte genaue Auskünfte über gewalttätige Hooligans an das federführende Landeskriminalamt in Düsseldorf gemeldet – detailliert mit Namen und Autokennzeichen. Aber offensichtlich hatten die französischen Behörden kein Interesse an diesem detaillierten Wissen. Die Kollegen aus Frankreich seien nicht an einer „Namensliste“ interessiert gewesen, vielmehr hätten sie wissen wollen, wieviele Hooligans nach Frankreich kommen und welche Handlungsprofile die Gruppen zeigen, so der Leiter des Düsseldorfer Einsatzzentrums, Fredrick Holtkamp. Aus diesem Grund seien auch keine gezielten Grenzkontrollen im Vorfeld des Spiels Deutschland gegen Jugoslawien möglich gewesen. Erst in Lens hätten „szenekundige Beamte“ aus Deutschland die 614 „Personen der Kategorie C“ identifiziert.

Holtkamp hält es allerdings für eine Illusion, daß verschärfte Grenzkontrollen die Ausschreitungen von Lens hätten verhindern können. Der tatverdächtige Markus W. aus Hannover sei den deutschen Szene-Beamten bis zum Sonntag überhaupt nicht bekannt gewesen, niemand hätte deshalb bei seiner Einreise auf ihn aufmerksam werden können. Hinzu komme, daß im Gegensatz zur Insel Großbritanien die deutsch- französische Grenze nicht so einfach zu kontrollieren sei. Auch dem BGS, der jederzeit Zugriff auf die Datei „Gewalttäter Sport“ habe, sei kein Vorwurf zu machen. Sie könnten auch nicht jedes Auto, das nach Frankreich will, kontrollieren.

Daß die Straßenschlacht in Lens nach dem Spiel am Sonntag von Rechtsradikalen initiiert wurde, wie in den vergangenen Tagen vielfach behauptet, ließ sich gestern nicht bestätigen. Weder Polizeibehörden noch einzelne Fanprojekte mochten diese Vermutung stützen. Holtkamp beobachtet, daß Rechtsradikale zwar häufig bei Länderspielen auftauchen, um dort ihre Parolen loszuwerden, „aber die rechtsradikale Szene spielt für die Hooligans keine Rolle“.

Diese Einschätzung teilen Soziologen zumindest bei nationalen Spielen nicht. Der Hannoveraner Soziologe und Szenekenner Gunter Pilz warnt seit langem davor, daß die rechte Szene in den Stadien neues Terrain erobert. Junge Rechte wollten unpolitischen Hooligans ihre Meinung aufdrücken, so Pilz. Wer etwa nach Hannover ins Stadion geht, kann beobachten, daß die Linien zwischen organisiertem Rechtsradikalismus und starken rechten Tendenzen fließend sind. In Hannover halten die Fans von Hannover 96 Schals in die Höhe, die eindeutig Parallelen zum Nationalsozialismus ziehen: „Hannover 96 – Deutscher Meister 1936“. Niemand kann wegen dieses Spruchs angeklagt werden, denn es ist wahr, daß der Verein 1936 den Pokal gewann.

Der Trend zur rechten Traditionspflege erkennt Rüdiger Bredthauer von der Hamburger Polizei nicht nur in Hannover. Über Jahre habe er sich aufgebaut. „Daß die Stadien rechts sind, ist bekannt“, sagt er. Anfang der 90er Jahre seien Spieler aus Afrika regelrecht mit Bananen in den Stadien beworfen und mit „Urwaldlauten“ begrüßt worden. Und auch heute würden Fans bei Spielen des Hamburger SV „Arbeitsplätze nur für Deutsche“ skandieren. Allerdings habe sich der Druck auf die Rechtsausleger in den Stadien verschärft. Wer in Hamburg während eines Spiels den Hitler-Gruß zeige, werde sofort festgenommen und angeklagt. „Der Gruß kostet vor Gericht 1.500 bis 3.000 Mark“, weiß Bredthauer. Wie andere Fanbetreuer auch, fordert Bredthauer den Deutschen Fußballbund auf, „endlich Stellung gegen rechte Tendenzen zu beziehen“. Ähnlich wie der HSV soll der Verband Rechtsradikalismus im Zusammenhang mit den Sport „ächten“.

Davon ist bislang beim DFB auch im Zusammenhang mit Lens nichts zu hören. Auch wenn die Rechten nicht direkt bei der WM auftauchen, sind sie doch im Internet präsent. So rief der „Siegener Bärensturm“ vor einigen Tagen zum „Frankreich-Überfall“ auf. Die Fans des Fußballvereins „Sportfreunde Siegen“ stehen politisch der „Sauerländer Aktionsfront“, nahe, einer neonazistischen Gruppe. Drei Tage nach dem Blutbad von Lens zeigen sich die Skins beschämt: „So nicht!!! Es wäre besser, den Tommies zu zeigen, wer die Macht ist!“

Daß deutsche Hools noch einmal zuschlagen wollen, macht LKA-Mann Holtkamp nicht nervös. Der „Siegener Bärensturm“ sei eine Gruppe von zehn Leuten. Sie seien alle bekannt und würden beobachtet. Daß womöglich andere Hooligan-Gruppen eine neuerliche Randale anzetteln könnten, glaubt Holtkamp nicht. Nicht nur die deutsche, auch die französische Polizei sei gewappnet, sagt er.

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