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Gen-Datei weiter ohne Gesetz

■ Koalition und SPD begnügen sich bei der zentralen Gen-Datei damit, die Strafprozeßordnung zu erweitern. Bündnisgrüne wollen eigenständiges Gen-Datei-Gesetz wegen neuer Datenqualität

Bonn/Berlin (taz/AFP) – Manfred Kanthers Kriminaler dürfen weiter genetische Daten von Straftätern und Verdächtigen sammeln, ohne daß es dafür eine eigenständige gesetzliche Grundlage gibt. Das stört auch die SPD nicht mehr, die noch vor Wochen verlangt hatte, ein umfassendes Gen-Datei- Gesetz zu verabschieden. Die Sozialdemokraten geben sich vielmehr mit der gestern im Bundestag beschlossenen Ergänzung der Strafprozeßordnung zufrieden, die auch die Sammlung genetischer Daten von bereits verurteilten Straftätern ermöglicht. „Wenn es zum Mißbrauch kommt, dann bessern wir die Strafprozeßordnung noch mal nach“, sagte der SPD-Rechtspolitiker Jürgen Meyer zur taz. Meyer mußte den SPD-Sinneswandel im Parlament verkaufen.

Das Bundeskriminalamt baut bereits seit April diesen Jahres eine Gen-Datei auf, ohne daß der Gesetzgeber bisher geregelt hatte, was alles gesammelt und gespeichert wird. Strittig war vor allem, ob die Wiesbadener Fahnder nur den sogenannten genetischen Fingerabdruck archivieren oder zusätzlich auch Körperzellen von Verdächtigen und Beschuldigten. Die rasante wissenschaftliche Entwicklung in der Humangenetik läßt es möglicherweise bald zu, präzise Aussagen über Erbinformationen des Menschen zu machen – Kanthers zentrale Gen-Datei erhielte den Rang einer brisanten Sammlung.

Der Bundestag gab sich nun damit zufrieden, einen Paragraphen 81g in die Strafprozeßordnung einzufügen. „Das Gesetz läßt die entscheidenden Fragen der Errichtung und Arbeitsweise der Datei ungeregelt“, verwies der Bündnisgrüne Volker Beck auf die völlig neue Qualität der gesammelten genetischen Informationen. Für das Anlegen der Gen-Datei verweist der neue 81g Strafprozeßordnung auf das Gesetz des Bundeskriminalamts – eine Norm, die noch auf die Sammlung des normalen Fingerabdrucks setzte.

Beck sagte im Bundestag, das weiterhin fehlende Gen-Datei-Gesetz könne dazu führen, „daß Sexualmörder wieder auf freien Fuß gesetzt werden müssen“. Würde ein Täter anhand einer ungesetzlich gespeicherten Datenspur von Körperzellen überführt, könne dies nicht als Beweis verwendet werden. „Der Gesetzgeber tritt sich selbst ans Schienbein“, wenn er kein eigenständiges Datengesetz verabschiedet, meinte Beck. Auch die Bündnisgrünen begrüßten wie die Koalition und die SPD die prinzipielle Möglichkeit, den genetischen Fingerabdruck zu erheben und zu speichern. Die novellierte Prozeßordnung läßt allerdings zu, die Gen-Daten von Sexualstraftätern zu speichern – und von jenen, die einer Straftat von „erheblicher Bedeutung“ verdächtig sind. Dazu zählen etwa auch schwerer Diebstahl oder Erpressung. Das Ausmaß dieser Straftaten sei „uferlos“, monierten Grüne und PDS. Sie stimmten daher gegen die Neufassung der Strafprozeßordnung. Christian Füller

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