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„Ich hole die da nicht raus“

■ An den blutigen Krawallen bei der Fußball-WM waren auch Hamburger Hooligans beteiligt. Vier ExpertInnen im Interview über akzeptierende Jugendarbeit, Neonazis und eigene Grenzen

taz: Sie sagen, Sie akzeptieren die Jugendlichen, aber nicht ihre rechte Einstellung. Wo ziehen Sie im Alltag die Grenze?

Lothar Knode: In meiner Einrichtung wollten Jugendliche die Reichskriegsflagge aufhängen. Da haben wir ganz klar gesagt: „Das machen wir nicht mit. Unter dieser Flagge sind Millionen Menschen ermordet worden.“ Das muß man auch emotional rüberbringen. Wir wollten aber nicht alles ablehnen, also durften dann die Kampfschwimmer von der Bundeswehr, die einer mithatte, an die Wand.

Aber Sie sind doch auch dauernd fremden- und frauenfeindlichen Sprüchen ausgesetzt. Wenn Sie da immer nur „Du, du, du“ sagen und „Ich fühle mich jetzt persönlich betroffen“ – das ist denen doch völlig egal.

Gudrun Pluschke: Nein, ist es nicht. Aber sie testen ganz genau aus, wo ist die Person authentisch, und wo will sie mich nur agitieren. Das ist das Entscheidende in dieser Arbeit, wirklich au-thentisch zu sein als Person und zu sagen „Hier ist bei mir Schluß“.

Sie müssen aber doch ziemlich viel akzeptieren, allein um den Kontakt zu halten. Macht man sich da als staatlich angestellter Sozialarbeiter nicht zum Deppen?

Dieter Bänisch: Man ist leicht in Gefahr zu glauben, man müsse sich so weit auf die Jugendlichen einlassen, damit sie überhaupt kommen. Dabei sind die Jugendlichen froh, wenn ihnen überhaupt mal ein Erwachsener signalisiert, ich bin bereit, mit dir zu reden. Ich muß also gar nicht zulassen, daß er seine Scheiß-Musik bei mir in der Einrichtung hört oder die Reichskriegsflagge aufhängt.

Ein Gegenbeispiel aus Ihrem eigenen Jahresbericht. Begleitete Fahrt nach Glasgow 1996: Viel Alkohol, viel Aggression, Randale, schließlich Festnahmen. Und dann debattieren die Sozialarbeiter mit der Polizei: Bitte, bitte laßt das Jüngelchen wieder laufen, damit es rechtzeitig seinen Bus nach Hause kriegt?

Bänisch: Wenn da wirklich so gearbeitet worden wäre, dann ja. Dann hätten die Kollegen ihre Aufgabe überzogen. Wir haben ja mit den Hools eine Gruppe von jungen Männern, die darauf aus sind, sich mit der gegnerischen Gruppe zu hauen. Ich persönlich kann es zwar nicht nachvollziehen, wie man es toll finden kann, mit einer schiefen Nase heimzukommen und mit Hochgenuß davon zu erzählen, wie geil das war, aber das akzeptieren wir. Aber ich akzeptiere nicht, und das wissen die Jugendlichen auch, wenn sie gegen ihren eigenen Ehrenkodex verstoßen. Dann können sie nicht damit rechnen, daß ich zur Polizei gehe und sage: „Das ist doch eigentlich ein lieber Kerl.“

Was ist das für ein Ehrenkodex?

Bänisch: Daß sie nicht mit Flaschen werfen oder in Zuschauergruppen reinrennen, die nicht zur Hooliganszene gehören. Da wird kein Hooligan von mir bei der Polizei verteidigt. Sicher, ich betreue die – ich habe oft genug bei Gruppen gestanden, die Handfesseln anhatten, und hab' denen die Zigarette gehalten, sie beruhigt, ihnen Kaffee besorgt, Nase ausgeschnupft. Das mach' ich alles. Aber ich hole die da nicht raus. Das müssen sie durchstehen. Man muß ihnen ganz klar sagen: „Hör zu, du hast eigene Grenzen genannt.“

Das lassen die sich sagen?

Bänisch: Die Hools setzen einen natürlich auch mal extrem unter Druck, dem nicht jeder Kollege gewachsen ist: „Hol den da jetzt raus, hol ihn raus.“ Und man weiß ja nie ganz genau, wie sie auf ein „Nein“ reagieren. Wobei ich im Laufe der Jahre festgestellt habe: Die Hools haben sich immer vor uns gestellt, auch wenn wir angegriffen wurden: „Nee, das sind unsere Sozis – die veräppeln wir ab und zu, aber wir wissen, was wir an denen haben.“

Was akzeptieren Sie denn an Sprüchen?

Bänisch: Wir hören fast alles: „alte Fotze“, „alte Negersau“ und so weiter. Bei diesen Zusammenkünften werden ja Unmengen Alkohol getrunken. Aber wenn wir Busreisen organisieren zum Beispiel für Jugendliche unter 18, dann wissen die ganz genau, daß sie nur mitdürfen, wenn keine frauenfeindlichen oder rassistischen Sachen laufen. Und daß auch Alkohol verboten ist. Das akzeptieren sie in der Regel auch. Die fahren nüchtern los und kommen nüchtern wieder. Die Eltern sind total begeistert. Und die Jugendlichen komischerweise auch.

Die Neonazis haben ja eine Zeitlang Nachwuchs rekrutieren können, zum Beispiel durch Lagerfeuerromantik in den Boberger Dünen. Hat man ihren Einfluß zurückdrängen können?

Wolfgang Hammer: Ja. Da ist gerade Hamburg besonders erfolgreich gewesen. Wir haben immer wieder sehr schnell reagiert, wenn es irgendwo eine Gruppe gab, die von keiner Einrichtung angenommen wurde. Da hat man entweder mit bestehenden Einrichtungen geredet, oder man hat, wenn es weiße Flecken gab, die Infrastruktur verbessert. Wir sind auch die erste Stadt Deutschlands gewesen, die diese Projekte sehr früh aus der ABM-Phase in die Regelfinanzierung gebracht hat, was natürlich einen enormen Vorteil für die Leistungsfähigkeit und die Qualität dieser Arbeit hatte. Fortsetzung am Montag

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