: Hossa, Berti!
■ Mit einem 2:1 über Mexiko qualifiziert sich das DFB-Team für das WM-Viertelfinale
Montpellier (taz) — Berti Vogts' Welt ist nicht in Ordnung. Dennoch hat sich sein DFB-Team gestern in Montpellier mit einem 2:1 über Mexiko für das Weltmeisterschafts-Viertelfinale qualifiziert. Es war ein gewaltiger Kraftakt, der letztlich genau das an den Tag gebracht hat, was die Mannschaft zu leisten in der Lage ist. Natürlich ist es nicht zufällig, sondern zwangsläufig, daß der Kapitän der Mann ist, der das Spiel herumdrehte, als es verdächtig nach einer Niederlage roch.
Die Mexikaner werden hadern, daß es ein einfacher Fehler ihres Manndeckers Lara war, der Klinsmann den einfachen Ball zum 1:1 (75.) servierte. Letztlich beurteilt man Spiele, nachdem man ihren Ausgang kennt. Insofern muß man vermuten: Es war eine Mischung aus Schwäche der Mexikaner und Willenskraft der Deutschen, die sich in deren Kapitän konzentriert und das Spiel noch einmal gerettet hat. Und Oliver Bierhoff natürlich, der Kirstens Flanke von rechts ganz zum Schluß doch noch optimal erwischte und damit das 2:1 schaffte. „Vielen Dank an Ulf Kirsten“, sagte Bierhoff. Andere schlossen sich später an.
Was die Ordnung betrifft: Die hat Vogts im Turnierverlauf immer verzweifelter gesucht. Auch gestern war sie nicht aufzutreiben, zu fehlerintensiv war die deutsche Organisation. Den „Traum“ (Vogts) allerdings, den der DFB- Trainer träumt, kann er weiterträumen. Zumindest bis Samstagnacht in Lyon, wenn man sich gegen Kroatien oder Rumänien versuchen darf.
Am Ende standen mit den eingewechselten Möller (für Heinrich) und Kirsten (für Häßler) vier Offensivkräfte auf dem Platz. Aber da war auch nur noch von Verzweiflungsfußball die Rede. Ironischerweise hatte das Team eine Halbzeit lang zeitweise aus einfachem Fußball recht ansprechende Ideen entwickelt. Vielleicht kam man nur in Probleme, weil die Tormaschine da noch nicht nicht mit der ihr scheinbar eigenen hunderprozentigen klinischen Präzision arbeitete: Oliver Bierhoff hatte zwei Chancen, die so gut waren, daß er sie hätte nutzen können. Allein: Er tat es nicht.
Andererseits ist Luis Hernandez der Name des Mannes, der die Deutschen hätte erledigen müssen. Kurz nach der Halbzeit hatte der das 1:0 besorgt. Man hätte es wissen können. Hernandez (29), Torschützenkönig der Südamerikameisterschaft des vergangenen Jahres, hatte mit seinen drei Toren Mexiko erst in das Achtelfinale geschossen. Der blonde Kreativspieler hatte von Markus Babbel bewacht werden müssen, nachdem sich der Recke Jürgen Kohler kurz vor dem Anpfiff mit einer Zerrung abgemeldet hatte. Als Blanco aber den Ball einfach geradeaus in den Strafraum gestupst hatte, kam Babbel zu spät, und Tarnat grätschte ins Leere. Hernandez hätte es danach einfach gehabt, das 2:0 zu machen. Er schoß den Ball aber Köpke in die Arme, nachdem Jesús Arellano mit einem Solo durch die aufgerückte deutsche Abwehr gedribbelt war.
Der deutsche Plan war nach drei Sekunden verraten. Da hatte Klinsmann den Anstoß zu Tarnat zurückgespielt, und der hatte den Ball ohne große Umschweife weit nach vorne gedroschen. Der Kapitän und Bierhoff mühten sich in der Folge, diese meist von Tarnat geschlagenen Bälle abzulegen oder zu verarbeiten. Die Mexikaner versuchten mit mindestens drei Kräften im Deckungszentrum den deutschen Stürmern den Raum zu nehmen und sich dann mit ihrem flinken Kurzpaßspiel nach vorne zu arbeiten. Am Ende zahlte sich die Arbeit der deutschen Stürmer aus. Und Bierhoff hatte doch noch getroffen. „Wir müssen uns steigern“, sagte er, aber richtig sorgenvoll sah er nicht aus. Die guten Leute in Montpellier begannen auch schon umgehend mit „Finale“-Gesängen. Ihre Welt schien ihnen wieder in Ordnung. Wenn sie sich da mal nicht täuschen. Peter Unfried
Mexiko: Campos – Pardo, Davino, Suarez – Villa, Garcia Aspe (87. Pelaez), Lara, Bernal (46. Carmona), Palencia (53. Arellano) – Blanco, Hernandez
Zuschauer: 35.000; Tore: 1:0 Hernandez (47.), 1:1 Klinsmann (75.), 2:1 Bierhoff (86.)
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