: Edelchauvi mit Zigarre
■ Ride, ride 'em Jewboy: Kinky Friedman, Krimiautor und Country-Sänger, ist vielleicht nicht politisch korrekt, aber doch immer gerecht. Jetzt ist er zu Konzert mit integraler Lesung in Berlin
Geboren in jenem Jahr, als Hitlers willige Vollstrecker von den Alliierten endlich zu Haufen getrieben wurden, hatte sich Kinky Friedman eigentlich geschworen, nie in seinem Leben deutschen Boden zu betreten. Seine des öfteren vorgetragene Meinung zum gemeinen Deutschen läßt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: „Of course the Germans are my second favorite people. My first is everybody else.“ Da darf man sich schon wundern, daß es offensichtlich doch jemandem gelungen ist, ihn gerade jetzt, wo insbesondere das Berliner Umland von marodierenden Neonazigruppen unsicher gemacht wird, dazu zu überreden, Deutschlands alter und neuer Hauptstadt einen Besuch abzustatten. Aber vielleicht hat er dabei ja jene in einem seiner Krimis mitgeteilte Begegnung seines Freundes Rambam mit einer Gruppe Neonazis im Hinterkopf, die in deren Gedächtnis als „Invasion der Killerjuden“ haftengeblieben ist. Keine Frage, daß eine solche Invasion nicht nur den Berlinern und ihrem Umland gut täte. Tatsächlich aber wird sich das Berliner Publikum mit einer Lesung aus seinen mittlerweile zehn Kriminalromanen und einigen dazu vorgetragenen Songs begnügen müssen.
Nach einem Anthropologiestudium hielt sich der in Texas aufgewachsene Friedman – statt nebenan in Vietnam auf Kommunistenjagd zu gehen – zwei Jahre als Entwicklungshelfer des Peace Corps im Dschungel von Borneo auf, um, wie er später sarkastisch bemerkte, Leuten die Kunst der Landwirtschaft beizubringen, die diese Kunst bereits seit 2.000 Jahren erfolgreich beherrschten. Zurück in den USA, gründete er seine wohl mehr berüchtigte als berühmte Band Kinky Friedman and The Texas Jewboys. Bereits 1973 hatte er sich mit dem Song „Get your Biscuits in the oven and your Buns in the Bed“ in die Herzen der damals noch so schrecklich unschuldigen Feministinnen gesungen. Zeilen wie „So damn emancipated in your mind and your body, Gonna have to cancel all your lessons in karate. If you can't love a male chauvinist, You'd better cross me off your shopping list“, brachten ihm prompt den Ehrentitel „Chauvinist Pig of the Year“ der National Organization of Women's ein. In diesen Kreisen pflegte man – pardon frau – bereits damals jenes Denken in Kategorien der sogenannten Political Correctness, das einige Jahre später von einer auf den Job gekommenen akademischen Linken zum gepflegten Diskurs entwickelt wurde.
Im gleichen Jahr lud ihn Bob Dylan zur Teilnahme an der ein Jahr später beginnenden „Rolling Thunder Tour“ an. Mag sein, daß überhaupt erst durch diese Tour ein größeres Publikum auf ihn aufmerksam wurde, das dann vielleicht auch seine zwischen 1973 und 1983 veröffentlichten fünf LPs zu schätzen gelernt hat (zwei weitere folgten 1992 und 1995). Unter der gefälligen Oberfläche des Texas-Nashville Country Sounds seiner Songs verstecken sich durchweg kritisch-zynische Texte, von denen der eine oder andere sicherlich auch einem Berliner Publikum auf Anhieb verständlich sein wird: „Ride, ride 'em Jewboy, Ride 'em all around the old corral, Oh, I'm with you boy, If I've got to ride six million miles.“ Auch wenn mittlerweile eine Tribute-CD – natürlich mit einem Beitrag von „His Bobness“ Dylan – angekündigt ist, muß man konstatieren, daß Friedmans musikalische Karriere nach den ersten drei LPs erst einmal beendet schien.
Friedman verließ seine texanische Heimat und ließ sich in einem Loft in der New Yorker Vandam Street nieder, das er – wie man seinen Kriminalromanen entnehmen kann – mit einem Schreibtisch, zwei parallel geschalteten Telefonen, einer Espressomaschine, seiner geliebten Katze und angerauchten Zigarren teilt, während in der Lesbentanzschule seiner Freundin Winnie Katz im Loft über ihm zu „Gonna Wash that Man Right Out of My Hair“ ein neuer Tanz eingeübt wird. Mit Gigs im Lone Star Café hielt sich Friedman über Wasser und veröffentlichte Anfang der achtziger Jahre noch einmal zwei LPs, ehe 1986 sein erster Roman – „Greenwich Killing Time“ – erschien, indem er ein gleichermaßen realistisches wie ironisch gebrochenes Bild seiner unmittelbaren Umgebung zeichnete.
Mit seinen Freunden Ratso, einem „Vertreter der Flohmarkt- Eleganz“, der in den 10.000 Bänden seiner Bibliothek zu Jesus, Hitler und Dylan den Geheimnissen des Weltgeschehens nachspürt, Rambam, von Beruf Privatdetektiv, und McGovern, einem Lokaljournalisten, trifft er sich zu unterhaltsamen und investigativen Trinkgelagen im „Monkey's Paw“, während er gerade mal wieder damit beschäftigt ist, mit Hilfe seiner drei Watsons einen Mordfall zu lösen. Als „Village Irregulars“, die in Notfällen aber auch über ihre gemeinsame Telefon-Hotline „Men in Trouble“ (MIT) miteinander kommunizieren, müssen sie sich dabei regelmäßig nicht nur mit den beiden Cops Fox und Cooperman herumschlagen, sondern insbesondere den politisch korrekt regulierten Alltag bewältigen: „Der Tag war ein typischer, grauer trüber Donnerstag, an dem verdammt wenig passierte, über das man sich aufregen mußte. Am frühen Nachmittag war ich in eine unschöne Auseinandersetzung in einem vegetarischen Restaurant in der Seventh Avenue verwickelt, wobei es um die Frage ging, ob der Qualm meiner Zigarre den Gästen beim Verzehr ihres Tofu schadete ... Man muß daran arbeiten, ein guter Raucher zu sein. Speziell heute, wo einem die nichtrauchende Welt ständig Schwierigkeiten macht. Es reicht schließlich, dich zum Trinker zu machen.“
Was die damit angesprochenen Schwierigkeiten betrifft, wird sich Friedman in Berlin dann vielleicht doch ganz wie zu Hause fühlen, denn politisch korrekt ist man in Berlin allemal. Für ganz viel später hat ihm Bob Dylan übrigens bereits zu Zeiten einen entscheidenden Trost mitgegeben: „When you die they let you off the hook.“
Wolfram Altenhövel/
Wolf Schwartz
Termine: Berlin, Passionskirche, 5. und 6. Juli, 21 Uhr
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen