: Gerhard Schröder ohne Badehose
Wie die CDU im Wahlkampf eine ganz alte Masche fand und worauf wir uns in der neuen alten DDR-NBI freuen dürfen ■ Von Robin Alexander
Berlin (taz) – Hans-Hermann Tiedje, Ex-Bild-Chef und Medienberater von Helmut Kohl, weiß, wie man Auflage macht und Wählerstimmen wirbt. Er holt die Menschen dort ab, wo sie sind. Den Ossi holt Hans-Hermann Tiedje beispielsweise in der DDR ab. Mit der NBI.
Die hieß früher Neue Berliner Illustrierte und war eine der beliebtesten Zeitschriften der DDR. Die NBI-Macher arbeiteten nicht mit dem ideologischen Holzhammer eines Neuen Deutschlands, sondern fochten mit dem Florett für den Sozialismus. Ansprechende Fotoreportagen und Berichte aus der weiten Welt lockten die Leser. Nur wenige Beiträge, etwa „Musikalische Erziehung im Sowjet- Dorf“, streiften sanft die Politik. Der Großteil des Heftes vermittelte Harmonie und Hochstimmung, damit der Leser auch merke, wie zufrieden er im Sozialismus ist. Klasse Konzept, hat Tiedje gemeint und die 1991 eingegangene NBI jetzt wiederbelebt – mit kleinen Änderungen.
Aus der Neuen Berliner Illustrierten wurde die Neue Bundesländer Illustrierte, aus den wenigen offenen SED-Agitations-Seiten wurden Werbeseiten für die CDU, der Rest bleibt. Tonfall, Gestaltung, Fotos – alles vermittelt Harmonie und Hochstimmung, damit der Ostwähler auch ja merke, wie zufrieden er unter der Regierung Kohl ist. Sehr clever, Kanzlerberater Tiedje!
Als die alte NBI, die jetzt Auferstehung feiert, im Oktober 1945 gegründet wurde, waren auch clevere Leute am Werk. Die sowjetische Besatzungsmacht entschied damals im Osten Berlins über die Zulassung neuer Zeitschriften. Und da erinnerte sich ein Presseoffizier der ruhmreichen Roten Armee, nennen wir ihn Iwan Hermanow Tiedjew, an die Berliner Illustrirte. Eine Zeitschrift, der im Titel ein e fehlte, die aber in Nazi- Deutschland sehr beliebt war. Die Macher der Illustrirten arbeiteten nicht mit dem ideologischen Holzhammer des Stürmers, sondern fochten mit dem Florett für den Faschismus. Ansprechende Fotoreportagen und Berichte aus der weiten Welt lockten die Leser. Nur wenige Beiträge, die z.B. Goebbels mit Töchterchen am Ostseestrand zeigten, streiften sanft die Politik. Der Großteil des Blattes vermittelt einfach nur Harmonie und Hochstimmung, damit der Volksgenosse merke, wie zufrieden er im Dritten Reich ist.
Klasse Konzept, hat Presseoffizier Tiedjew gemeint und die im März 1945 eingegangene Berliner Illustrirte wiederbelebt – mit kleinen Änderungen. Aus der Berliner Illustrirten wird die Neue Berliner Illustrierte, statt Nazi-Propaganda wird ab Oktober 1945 das Sowjetparadies besungen. Sehr clever, Presseoffizier Tiedjew!
Als die Nationalsozialisten 1934 den Ullstein-Verlag per Zwangsverkauf übernahmen, gab es unter ihnen übrigens auch clevere Leute. Einer von den neuen „Schriftleitern“, vielleicht hieß auch er Hans- Hermann, entschied, die größte Zeitschrift des Verlages nicht einzustellen, sondern das Blatt nur ein wenig mit Nazi-Propaganda anzureichern. Die Berliner Illustrirte gab es nämlich auch schon in der Weimarer Republik und sogar im Kaiserreich. Die Politik streifte man auch damals in der Regel nur sanft. Berühmt wurde 1919 ein Foto auf der Titelseite der Berliner Illustrirten, das Friedrich Ebert in Badehose zeigt. Dieses Foto machte das erste frei gewählte Staatsoberhaupt in Deutschland zum Gespött.
Das erste Heft der Neue Bundesländer Illustrierten wird seit gestern in 6,5 Millionen Haushalten im Osten kostenlos verteilt. Natürlich wird nicht mit dem ideologischen Holzhammer für die CDU geworben, sondern mit dem Florett für den Kanzler der Einheit gefochten. Was allerdings fehlt, sind richtig gute alte Geschichten: Musikalische Erziehung im Ossi-Dorf, Otto Hauser mit Tochter am Strand oder der Knaller: Gerhard Schröder ohne Badehose.
Die aktuelle NBI sieht übrigens genauso aus wie ihre SED-Vorgängerin. Selbst das Layout ist gleich.
Nur altes DDR-Papier war leider nicht mehr zu bekommen: „So schlechtes Papier wie früher gibt es heute gar nicht mehr“, bedauert die Tiedje-Crew. So schlechte Propaganda schon.
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