piwik no script img

Klassenkampf in der Koalition

■ SPD sieht keinen Bedarf an weiteren Klassenzügen an Gymnasien ab dem 5. Schuljahr und verhindert deren Einrichtung. Grundschulreform vorgeschlagen. CDU will Eltern mobilisieren

„Der Regierende Bürgermeister hat gefragt, ob das für die SPD eine Koalitionsfrage sei, und Justizsenator Körting antwortete mit Ja.“ Die Szene, die der stellvertretende Senatssprecher Eduard Heußen gestern aus der Senatssitzung schilderte, illustriert, wie ganze sieben Schulzüge einen erneuten Koalitionskrach zwischen CDU und SPD provozierten.

In der Senatssitzung am Dienstag abend wollte der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) einen Beschluß darüber herbeiführen, ob im kommenden Schuljahr sieben weitere grundständige Gymnasialzüge an Berliner Schulen eingeführt werden können. Dafür brachte er gegen die SPD-Schulsenatorin Ingrid Stahmer eine eigene Beschlußvorlage ein. Doch wie bereits im vorangegangenen Koalitionsausschuß blieb die SPD bei ihrer Haltung: Keine kurzfristigen Beschlüsse, keine neuen grundständigen Gymnasialzüge im Schuljahr 1998/99.

Nicht einmal beim Bedarf können sich die Koalitionsparteien einigen. Der Regierende Bürgermeister geht in seiner Senatsvorlage davon aus, daß neben den Interessen von Berliner Eltern noch 99 Kinder von Bonner Zuzüglern auf einen Gymnasialplatz in den Klassen 5 und 6 im kommenden Schuljahr warten. Für die SPD sagte dagegen Senatssprecher Heußen: „Die Fachsenatorin hat darauf hingewiesen, daß es eine einzige konkrete Anmeldung für die sechste Klasse aus Bonn gibt, null für die fünfte Klasse.“

Die SPD setzt weiterhin auf eine Reform der bisherigen Grundschule. Mit einer Differenzierung nach Leistung in bestimmten Fächern sowie der Möglichkeit, die Grundschule auch schneller (oder langsamer) als in sechs Jahren zu durchlaufen, werde man Eltern und Kindern gerechter, erläuterte gestern der schulpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Peter Schuster.

Während die SPD auf einer bildungspolitischen Grundsatzdebatte besteht, will der Regierende Bürgermeister direkt nach der Sommerpause die Einführung zusätzlicher Gymnasialklassen ab Klasse 5 wieder auf die Tagesordnung setzen. Inzwischen will die CDU unter dem Titel „Elternwille“ eine Unterschriftensammlung „für freie Schulwahl“ starten. Barbara Junge/Jutta Wagemann

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen