■ Querspalte: Befremdliches Aroma
Ach, du Schande! Die deutsche Schokolade wird teurer und wohl auch schlechter. Das mutmaßt jetzt der „Verein der am Rohkakaohandel beteiligten Unternehmen“ in seinem Jahresbericht für 1997. Und wer ist schuld an der Malaise? Die D-Mark, genauer gesagt: ihre Schwäche gegenüber Pfund und Dollar, in denen der notorisch hohe Handelspreis für Rohkakao notiert wird.
Die Experten befürchten, daß Schokolade-Produzenten demnächst auf billigere Rohstoffe zurückgreifen. Solche Scharlatane dürften noch Auftrieb bekommen, wenn die europäische „Schokoladen-Richtlinie“ verabschiedet wird, der zufolge Kakaobutter teilweise durch andere pflanzliche Fette ersetzt werden darf. Werden die Schoko-Gourmets diesen Bruch des Reinheitsgebots kampflos hinnehmen?
Schockieren dürfte anspruchsvolle Esser auch die Nachricht, daß die Elfenbeinküste, der weltgrößte Kakao-Exporteur, den Handel mit seinem wertvollen Rohstoff zu „privatisieren“ gedenkt. Sogar die FAZ, solchen Liberalisierungen normalerweise wohlgesonnen, konstatiert, daß die hiesigen Unternehmer das „mit Sorge“ verfolgten, weil ähnliche Entwicklungen in anderen Ländern eine „sich verschlechternde Bohnenqualität“ mit sich gebracht hätten. Gemunkelt wird darüber hinaus von bevorstehenden „Erntedefiziten“.
Es geht hier nicht nur darum, daß der Riegel für zwischendurch möglicherweise bald ein etwas befremdliches Aroma bekommt. Wir müssen auch an die Chocolatiers denken, die jetzt noch mit der Präzision eines Wissenschaftlers und der Leidenschaft eines Künstlers an neuen Pralinen-Kreationen tüfteln, und die womöglich in eine Sinnkrise stürzen, wenn sie nicht mehr mit hochwertigem Material werkeln können.
Vielleicht ergeht es uns bald wie einst den Ossis. Weihnachten und Ostern werden wir uns mit zitternden Händen auf die Päckchen stürzen, die uns Verwandte und Freunde aus höher entwickelten Ländern geschickt haben. Und wir werden rufen: „Endlich wieder richtige Schokolade!“ René Martens
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