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Geräusche sind anderswo

■ Keine Selbstfindungsprosa für alle: Die studentische AutorInnenvereinigung „Hippocampus“ hat mit „Kopfsalat“ ihr erstes Buch im Selbstverlag veröffentlicht

Das Fleisch schwimmt in sahnig-roter Sauce, und es ist heiß. Die junge Frau, die auf einer Reise nach Spanien die Stille gesucht hat, verläuft sich. „Die Geräuschmacher“ heißt die Geschichte, die Nicole Maass vorgelesen hat. „Aber Geräusche kamen darin doch gar nicht vor?“ fragt die Moderatorin ein bißchen schüchtern. „Im Text nicht, aber sonst schon“, grinst die Autorin. Das rund 30köpfige Publikum im Writers' Room klatscht.

Mit der Lesung Stadtfluchten stellte Hippocampus am Donnerstag vier seiner Autoren vor. Im September 1995 entstand der Verein aus einer studentischen Initiative und bietet seitdem schreibenden Studierenden ein Forum für ihre Literatur. Die Autoren sind jung, die Texte nicht unbedingt bierernst – mit einer Veranstaltung der LAOLAS oder einem Poetry Slam hat das ganze dennoch wenig zu tun. „Es geht uns hier um Literatur, nicht um Effekthascherei“, sagt Kathrin Dobrick, zweite Vorsitzende: „Bei uns wird niemand ausgebuht oder -gepfiffen.“

Volker Hagelstein hat noch nie „vor so großem Publikum“ gelesen. Ihm steht die Nervosität ins Gesicht geschrieben, als er sich an den Lesetisch setzt. Vom „Kind zweier Tiefkühltruhen“ erzählt er in „Verrückte Hunde“, einem verlorenen Alkoholiker, der eine letzte Chance bekommt und wieder aufgibt. Einfühlsam intoniert er die Rollen, seine Stimme schwankt – das paßt wunderbar zu der Geschichte, in der Bukowski-Slang von sehnsuchtsvollen Kindheitserinnerungen durchbrochen wird. Als es vorbei ist, mag er kaum glauben, wie gut er war.

Andere sind versierter. Kathrin Dobrick liest Fragmente, Boris Preckwitz – als Mitveranstalter der Hamburg ist Slamburg-Sessions kein Unbekannter mehr – einen Auszug aus einem Essay. Von ihm stammt die Idee, die Hippocampus ins Leben rief: „Machen wir doch gleich ein Buch!“ Während eines Studienjahres in London lernte er Leute kennen, die gerade damit beschäftigt waren, einen Verlag zu gründen und brachte das ehrgeizige Ziel nach Hamburg. Drei Jahre hat es gedauert, bis Ende Juni das Buch erschien: im Selbstverlag, mit Unterstützung des AStA und der Kulturbehörde. Kopfsalat enthält Geschichten, Gedichte und szenische Texte 33 studierender Autoren. Ein inspirierendes Sammelsurium ist es geworden, ein Buch, geprägt von verschiedensten Themen und Erfahrungen, in dem man „typische studentische Befindlichkeiten“, so es sie denn geben sollte, vergeblich sucht.

Angenehm rücksichtsvoll, doch nicht anspruchslos war die Atmosphäre der Lesung, in ebensolchem Tonfall beschreibt Kathrin Dobrick das Produkt ihres verlegerischen Experiments: „Ich finde es wirklich toll, wenn jemand schreibt, um sich selbst zu finden – aber verlegen muß man das ja nicht unbedingt.“ Jedenfalls nicht bei Hippocampus.

Sabine Claus

„Kopfsalat. Die Hippocampus-Anthologie“, 19.80 Mark, ISBN 3-00-002780-7

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