: Der letzte Brief vor dem Tod: Abiola warf UN-Chef Lügen vor
■ Nigerias inhaftierter Oppositionsführer wollte nicht auf Mandat als gewählter Präsident verzichten
Berlin (taz) – UN-Generalsekretär Kofi Annan hat über seine Gespräche mit dem verstorbenen nigerianischen Oppositionsführer Moshood Abiola möglicherweise nicht die Wahrheit gesagt. Ein posthum aufgetauchter Brief Abiolas an seine Familie, den er einen Tag vor seinem Tod am vergangenen Dienstag verfaßte, beschreibt detailliert den Verlauf seines Treffen mit Annan am 2. Juli. Abiola macht darin klar, daß er Annans Forderung ablehnte, auf sein Mandat als gewählter Präsident zu verzichten, um die Freiheit zu erlangen.
Annan hatte demgegenüber nach seinem Treffen auf einer Pressekonferenz behauptet, Abiola sei zu einem Amtsverzicht bereit. Die taz veröffentlicht exklusiv in Deutschland die wesentlichen Teile aus Abiolas Brief, den seine Familie in Nigeria publik gemacht hat.
„Ich sagte ihm deutlich, daß ich die von ihm gewünschte Zusicherung nicht geben kann, da sie schlimmer als nutzlos wäre“, gibt Abiola sein Gespräch mit Annan wieder und verweist darauf, daß er in Haft sitzt, weil er sich ein Jahr nach seinem annullierten Wahlsieg von 1993 zum Präsidenten Nigerias ausgerufen hatte: „Eine öffentliche Erklärung, die am hellerlichten Tag vor Tausenden jubelnden Massen abgegeben wurde, kann nicht bei einem Mitternachtstreffen mit einem nichtnigerianischen Diplomaten aufgegeben werden.“ Abiola wirft Kofi Annan sowie Commonwealth-Generalsekretär Chief Anyaoku vor, sich benutzt haben zu lassen: „Die beiden arbeiteten als Agenten der Militärregierung, ob sie bezahlt wurden oder nicht.“
Gestern kam es im Südwesten Nigerias erneut zu gewalttätigen Protesten, bei denen Hunderte aufgebrachter Anhänger Abiolas Angehörige von ethnischen Minderheiten angriffen. D.J.
Tagesthema Seite 3
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen