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Suharto grüßt Birmas Generäle

Birmas Militärjunta zeigt durch massive Einschüchterung ihre wachsende Nervosität  ■ Von Jutta Lietsch

Bangkok (taz) – Der Schock sitzt tief. Mit Entsetzen mußten die birmesischen Militärs beobachten, wie in Indonesien die Diktatur innerhalb kurzer Zeit zusammenbrach: Erst demonstrierten Studenten, dann brannten Geschäfte und Polizeiposten – und schließlich konnte nichts mehr den zuvor unantastbaren Suharto retten.

Jetzt versuchen die Generäle in Rangun zu verhindern, daß der demokratische Funke nach Birma überspringen kann: Dutzende Oppositionelle wurden in den letzten Tagen festgenommen. In Ranguns Straßen sind deutlich mehr Soldaten zu sehen, sagen Diplomaten. Gegenüber der Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi und ihrer Nationalen Liga für Demokratie (NLD) werden die Töne wieder schärfer: Die Sicherheit Suu Kyis sei bedroht, warnte die Junta am Samstag. Denn „gewisse Elemente versuchten, politische Unruhen zu provozieren“, um der Politikerin „physischen Schaden“ zuzufügen. Die Militärs wollten verhindern, daß es zu „unerwünschten Vorfällen“ wie „in einem wichtigen afrikanischen Land nach dem Tod eines prominenten Politikers“ komme. Gemeint ist Nigeria, wo der Oppositionspolitiker Moshood Abiola kürzlich im Gefängnis starb.

Dies ist bereits die zweite Drohung, nachdem die amtlichen Zeitungen Suu Kyi kürzlich wenig verbrämt vor dem Schicksal des vor über zwanzig Jahren ermordeten vietnamesischen Politikers Diem warnten. Mehrere ausländische Regierungen, darunter die USA und Birmas Nachbar Thailand, haben inzwischen das Regime zur „Zurückhaltung“ aufgefordert.

Für die Junta stehen heikle Gedenktage bevor: am 19. Juli der „Tag der Märtyrer“; und am 8. August der zehnte Jahrestag der Demokratiebewegung, die mit Studentendemonstrationen begann und vom Militär blutig niedergeschlagen wurde. Als die Opposition die Junta im Juni aufforderte, bis zum 21. August das 1990 gewählte – und vom Militär nie anerkannte – Parlament einzuberufen, reagierten die Behörden mit einem Reiseverbot für alle NLD-Delegierten, die außerhalb Ranguns leben. Sie müssen sich jetzt täglich zweimal bei der Polizei melden. Kontakte untereinander sollen unmöglich gemacht werden. Mehrere Parteimitglieder wurden verhaftet, weil sie sich nicht an die Auflagen hielten. Die Junta will verhindern, daß Suu Kyi die damals gewählten Abgeordneten zu einer „Parlamentssitzung“ in ihrem Garten einlädt.

Erst letzte Woche reizte die Politikerin, die sich seit ihrer Entlassung aus dem Hausarrest 1995 nur in Rangun bewegen darf, die Generäle wieder zur Weißglut: Sie entwischte ihren Bewachern und verließ mit NLD-Parteichef U Aung Shwe im Auto die Hauptstadt. Erst nach 80 Kilometern, auf halber Strecke zum Treffen mit NLD-Delegierten im Norden, wurden sie gestoppt. Sie weigerten sich umzukehren – auch, als die Soldaten den Wagen in die Luft hoben und in Fahrtrichtung Rangun wieder auf die Straße setzten. Nachdem die beiden fast einen Tag lang im Auto sitzenblieben, erlaubten die Behörden, daß die NLD-Angehörigen zu ihnen gebracht wurden.

Ein Grund für die Nervosität der Junta ist die Angst vor der wachsenden Unzufriedenheit über die miserable wirtschaftliche Lage. Die Kassen sind leer, Investoren und Kunden bleiben aus, die Armee weiß kaum, wie sie die Soldaten ernähren soll. Zudem sind viele Birmesen wütend, weil die Universitäten schon wieder seit über 18 Monaten geschlossen sind. Jahrgänge von Jugendlichen verloren ihre Chance auf eine Ausbildung, weil die Junta sich vor Studentenprotesten fürchtet.

Für Nervosität dürfte auch sorgen, daß General Ne Win im Sterben liegen soll. Der 87jährige hatte Birma seit 1962 in den „birmesischen Weg zum Sozialismus“ geführt. Nach seinem Rücktritt 1988 herrschte er als graue Eminenz weiter und spielte die unterschiedlichen Fraktionen im Militär gegeneinander aus. Der General hielt seine schützende Hand über den bei den Kollegen nicht sehr beliebten Geheimdienstchef Khin Nyunt. Der Machtkampf innerhalb der Junta sei in vollem Gange, heißt es in Rangun. Jutta Lietsch

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