Algerische Journalisten im Hungerstreik

■ Zweihundert gefährdete Mitarbeiter von Presse, Radio und Fernsehen leben seit 1994 in „Sicherheitszimmern“ in einem Hotel bei Algier. Der geplante Rausschmiß führt zu Protesten

„Für die Würde – Journalisten im Hungerstreik“, verkündet ein Transparent an der Fassade des Hotels Mazafran den Tausenden von Badegästen an den Stränden von Sidi Fredj, einer malerischen Halbinsel westlich von Algier. 200 Journalisten aus der algerischen Hauptstadt leben hier im hermetisch kontrollierten Luxusparadies. Sie kamen, als Ende 1993 immer mehr von ihnen Drohungen und Anschlägen ausgesetzt waren. In sechs Hotels stellte die Regierung ihnen damals 611 sogenannte Sicherheitszimmer zur Verfügung.

„Jetzt soll es damit zumindest im Mazafran vorbei sein. Die Hotelleitung hat uns gekündigt“, sagt Areski empört. Die Zimmer sollen für den Gipfel der Organisation Afrikanischer Einheit (OAU) im Sommer nächsten Jahres hergerichtet werden, lautet die Begründung. „Was aus uns wird, darum kümmert sich keiner“, beschwert sich der 32jährige Redakteur der privaten Tageszeitung L'Authentique.

Zusammen mit drei Kollegen und zwei Kolleginnen befindet er sich seit dem 3. Juli im Hungerstreik. Sein abgemagertes, unrasiertes Gesicht zeugt davon. Die Journalisten wollen ihre Protestaktion solange fortsetzten, bis die Kündigung zurückgenommen oder ihnen ein vergleichbares Hotel zur Verfügung gestellt wird.

In einem engen Hotelzimmer haben die sechs Matratzen ausgebreitet. Hier empfangen sie fast täglich Solidaritätsdelegationen ihrer Kollegen, aus den Gewerkschaften und Parteien, auch denen aus der Regierungskoalition. „Nur Informationsminister Hamraoui Habib-Chawki hat sich noch nicht blicken lassen“, schimpft Areski, der seinen Nachnamen lieber nicht preisgibt. Zu groß ist die Angst.

In den Jahren seit Ausbruch der algerischen Krise 1992 wurden 54 Journalisten und Fotografen sowie 16 sonstige Mitarbeiter der Medien umgebracht. Die Regierung macht dafür radikale Islamisten verantwortlich. Die Organisation Reporter ohne Grenzen spricht hingegen offen aus, was auch in Algerien viele glauben. Zumindest hinter einigen Morden könnte auch die schwarze Hand der Geheimdienste stecken.

Bisher wurde den Journalisten nur ein Umzugsangebot gemacht: ein Hotel in Tipasa, einer Stadt, 75 Kilometer von Algier entfernt. „Das wäre Selbstmord“, beschwert sich Mendouri, Fotograf bei der Wochenzeitschrift Hebdo Magazin. Die Landstraße dorthin ist vor allem nach Einbruch der Dunkelheit völlig unsicher. Immer wieder gibt es Tote an Straßensperren, die als Soldaten verkleidete Islamisten aufbauen.

Der 43jährige Mendouri lebte im einfachen Stadtteil Ain Nadja von Algier, bis er immer wieder Todesdrohungen erhielt. Seiner Frau, die bei der staatlichen Nachrichtenagentur APS arbeitet, erging es nicht besser. 1994 bezogen sie ein acht Quadratmeter großes Zimmer im Hotel Mazafran. Hier hausen sie mit ihren drei Kindern. „Viele Journalisten haben ihre Familien mitgebracht“, berichtet Mendouri. „Meine Frau und ich, wir sind in der gleichen Situation, da verkraftet man die fehlende Intimität noch einigermaßen. Aber für Ehen, wo einer von beiden nichts mit der Presse zu tun hat, ist das eine Belastungsprobe.“

Die Hungerstreikenden und die von ihnen gegründete Vereinigung Capital Media (Hauptstadtmedien) fordern nicht nur den Umzug in ein anderes stadtnahes Hotel. Sie denken weiter. „Warum nicht eine staatlich geförderte Wohnungsbaugesellschaft gründen, die einen Stadtteil eigens für Presseleute errichtet, der dann besonders abgeschirmt werden kann?“ fragt Mendouri. Eine Journalistin, die aus einem Nachbarhotel, wo sie mit einer Kollegin ein Doppelzimmer teilt, zu Besuch gekommen ist, mischt sich ins Gespräch ein: „Wir waren immer zur Stelle, wenn es darum ging, gegen den Terrorismus anzuschreiben. Die Regierung kann uns jetzt doch nicht einfach fallenlassen.“ Reiner Wandler