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Tausche Euro gegen Peso

■ Lateinamerika wartet gelassen auf die Einheitswährung, die den Dollar schwächen könnte

Caracas/Brazzaville (IPS) – Der Euro wird für Lateinamerika nach Ansicht internationaler Experten keine unmittelbaren Folgen haben. Die Europäische Union ist zwar zweitwichtigster Handelspartner Lateinamerikas, doch gehört der Kontinent zur Einflußzone des US-Dollar. Handel und Finanzmärkte der Staaten werden deshalb erst allmählich durch den Euro beeinflußt werden, geht aus einer vergangene Woche in Venezuela vorgestellten Studie des Lateinamerikanischen Wirtschaftssystems (Sela) hervor.

Der Dollar nimmt derzeit die Spitzenposition unter den Währungen ein und hat einen Anteil von über 60 Prozent an den internationalen Devisenreserven. 80 Prozent aller Bankdarlehen und 40 Prozent aller Schuldverschreibungen werden in der US-Währung ausgegeben. Sela zufolge wird der Euro starkes Gegengewicht zum Dollar sein. Erste Auswirkungen auf Wirtschaft und Handel in Lateinamerika werden aber erst erwartet, wenn der Prozeß der Europäischen Währungsunion 2002 abgeschlossen ist.

Nach Sela-Statistiken beläuft sich der Handel zwischen der EU und Lateinamerika auf 70 Milliarden Dollar jährlich. Lateinamerika verzeichnet dabei ein Handelsdefizit von zehn Milliarden Dollar. Die europäischen Investitionen in der Region erreichen einen Anteil von 23 Prozent. Der Sela-Berater Nelson Ortiz rechnet damit, daß sich die Konkurrenz zwischen Euro und Dollar mittel- und langfristig äußerst positiv auf die lateinamerikanische Wirtschaft auswirken wird.

Der Euro wird auch den Schuldendienst der Staaten beeinflußen. Schätzungen zufolge könnten der Euro-Zone ab Anfang 1999 zwischen 30 und 35 Prozent der weltweit vergebenen Darlehen zugeschrieben werden. Sofern die Refinanzierung von Darlehen allerdings auf der Interbank Offered Rate (Libor) basiert, ist wegen des noch nicht entschiedenen Beitritts Großbritannien zur Währungsunion zunächst keine Veränderung zu erwarten. Libor bezeichnet den Zinssatz, den Banken am Londoner Euro-Geldmarkt für kurzfristige Einlagen anderer Banken bieten. Sela zufolge wird der Euro dem europäischen Kapitalmarkt neue Impulse geben. Eurobonds und Aktien könnten in Konkurrenz zu US-Wertpapieren treten, und der Euro könnte den Terminhandel beeinflussen, der bisher vom Dollar dominiert wurde. Allerdings würden sich die internationalen Rohstoffpreise mittelfristig weiter am Dollar ausrichten.

In den 14 französischen Ex-Kolonien Afrikas hat der Euro Furcht vor einer erneuten Abwertung des gemeinsamen CFA-Franc ausgelöst. Der Wechselkurs der in der Französischen Finanzgemeinschaft (CFA) geltenden Währung ist seit 40 Jahren an den französischen Franc gekoppelt. Bei der letzten Anpassung 1994 verlor der CFA-Franc die Hälfte seines Kurswertes. Ein französischer Franc wird seitdem mit 100 CFA-Franc gehandelt. Obwohl die Regierung in Paris die Stabilität des CFA- Franc zugesichert hat, macht man sich in den afrikanischen Ex-Kolonien auf schmerzhafte Einbrüche gefaßt. In Kongo-Brazzaville setzte im Mai bereits ein Run auf die Banken ein. Kunden lösten in Panik ihre Konten auf und legten ihr Geld in harten Währungen an. Die Geldinstitute drohen bald finanziell ruiniert zu sein.

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