: Der Begründer der erfolgreichsten Imbißkette der Welt, Richard McDonald, ist am Dienstag im Alter von 89 Jahren gestorben. Das Prinzip der weltweit agierenden Firma - wo es McDonald's gibt, geschieht nichts Unvorhersehbares - wurde zum Inbe
Der Begründer der erfolgreichsten Imbißkette der Welt, Richard McDonald, ist am Dienstag im Alter von 89 Jahren gestorben. Das Prinzip der weltweit agierenden Firma – wo es McDonald's gibt, geschieht nichts Unvorhersehbares – wurde zum Inbegriff einer industrialisierten Nahrungsmittelproduktion. Und galt schon bald als Generalangriff auf den guten Geschmack.
Old McDonald had a firm
In seinem Film „Der Schläfer“ wacht Woody Allen eines Tages in der Zukunft auf und landet in einer McDonald's-Filiale. Komfortabel ausgestattet, hat die Utopie allen Schrecken verloren. Wo es McDonald's gibt, geschieht nichts Unvorhersehbares. Das Nahrungsangebot ist bekannt, und das Fräulein mit der gestreiften Mütze nimmt die Bestellung entgegen. In Allens Welt befindet sich die McDonaldisierung bereits in einem fortgeschrittenen Stadium. Auch Sex führt man sich hier zu wie einen McRib. Die Bewohner besteigen ein „Orgasmodrom“, eine Maschine, mit deren Hilfe man ohne die Mühen des Geschlechtsverkehrs zum Orgasmus kommen kann.
Diese Episode bündelt einen Großteil aller Einwände, die gegen das „System McDonald's“ erhoben wurden. Der weltweite wirtschaftliche Erfolg der Restaurantkette ging rasch einher mit der negativen Imagekarriere des Unternehmens. McDonald's wurde nicht nur zum Inbegriff einer industrialisierten Nahrungsproduktion, sondern galt bald als Generalangriff auf den guten Geschmack. Der Buchstabe „M“ schockierte weniger die Freunde eines guten B÷uf Stroganoff oder des Wiener Tafelspitz, als daß er die Phantasie beflügelte, alle gesellschaftlichen Bereiche könnten auf das Prinzip McDonald's hin ausgerichtet werden.
Der US-Soziologe George Ritzer nennt in seinem Buch „Die McDonaldisierung der Gesellschaft“ vier Elemente des Prinzips McDonald's, das längst auch in anderen Gesellschaftsbereichen Fuß zu fassen begonnen hat. Das erste ist Effizienz. Ein Besuch bei McDonald's biete die beste Möglichkeit, vom Zustand des Hungers in den der Sättigung versetzt zu werden. McDonald's spart Zeit, und die Verweildauer im Imbiß läßt sich ebenso berechnen wie die zugeteilte Menge an Pommes und Hackfleisch zwischen den Brötchenhälften. McDonald's, so die weithin verständliche Botschaft, ist quantifizierbar. Das dritte Element des M-Systems ist laut Ritzer die Vorhersehbarkeit. „Wir wissen, daß der McMuffin, den wir in New York essen, unter allen praktischen Gesichtspunkten mit dem in Chicago oder Los Angeles identisch sein wird.“ Und viertens schließlich werde mit der Produktionsweise von McDonald's Kontrolle über Menschen ausgeübt, „vor allem indem menschliche Arbeitskraft durch nichtmenschliche Technologie ersetzt wird“.
Die Produktions- und Distributionsweise von McDonald's eignete sich wie kaum etwas, die schlimmsten Befürchtungen kritischer Gesellschaftstheoretiker zu illustrieren. Der konfektionierte Hamburger ist die Nahrung für den „eindimensionalen Menschen“ (Marcuse), der sich unter zunehmender Rationalisierung und Bürokratisierung selbst in seinen Genußformen an den Produktionsprozeß anpassen muß. Die kinderfreundliche Clownsfigur des Ronald McDonald gehört in diesem Sinne zum Personal eines „Stahlbads des fun“ (Adorno), und die immergleiche Einrichtung mit Ansagetresen und Mikrofonübermittlung der Bestellung ist ein „Nicht-Ort“ im Sinne des französischen Ethnologen Marc Augé. Madrid und Peking drohen durch die Existenz eines McDonald's-Ladens ununterscheidbar zu werden.
Derlei theoretische Einwände wurden im Laufe der intensiven Beschäftigung mit McDonald's unterstützt durch empirische Untersuchungen, die eine erstaunliche Breitenwirkung fanden. Die Arbeitsbedingungen bei McDonald's gelten seither als miserabel und die Bezahlung als schlecht. Abhilfe und verbesserte Lohnmodelle des Franchisingunternehmens, das für seine Geschäftsidee weltweit Pächter gefunden hat, haben gegen dieses Image wenig ausrichten können, auch wenn man bisweilen auf bekennende Mc-Freunde trifft. Im Ordnungssystem des kritischen Weltbildes hat McDonald's seinen unverrückbaren Ort.
Daran wird der Tod von Richard McDonald, der am Dienstag im Alter von 89 Jahren gestorben ist, vermutlich wenig ändern. Das Prinzip der vielfach kopierten Imbißkette, die „Dick“ McDonald in den 40er Jahren zusammen mit seinem Bruder Maurice („Mac“) zunächst in Kalifornien eröffnet hatte, wird längst nach den Kriterien eines weltweit agierenden Wirtschaftsunternehmens geführt; 1955 hatten die Gebrüder die Rechte zur Verbreitung ihrer Geschäftsidee in den USA an Ray Kroc verkauft, seit 1961 besaß dieser auch die Rechte für den weltweiten Vertrieb von McDonald's. Die ersten Worte aus der Geschäftsführung zum Tod von McDonald waren dennoch ganz familiär. Die globale McFamilie aus Angestellten, Pächtern und Zulieferern, so der Chef der Kette, Michael Quinlan, schulde Richard McDonald und seinem Bruder Dank. Harry Nutt
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