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Der Trick mit den Billigflaggen

Der Trick ist einfach: Man tauscht die Flagge am Heck des Schiffs gegen eine andere aus – und erspart sich Ärger oder Geld. Britische und niederländische Handelschiffe zogen im 17. Jahrhundert die schwedische Fahne auf, um während der Feindseligkeiten zwischen ihren Ländern nicht vor die Kanonen der Kriegsschiffe zu geraten.

„Klassische“ Billigflaggen wie die panamaische tauchten erstmals in den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts auf, als US- Reeder während der Prohibition ihren Luxusliner-Gästen den ungehinderten Konsum von Alkohol ermöglichen wollten.

1939 ließen US-Reeder mit Unterstützung durch US-Präsident Franklin D. Roosevelt eine schnell zusammengebaute Flotte, die Liberty Ships, vom Stapel, um Waffenlieferungen für europäische Nationen im Krieg gegen Hitler transportieren zu können. Diese Schiffe fuhren unter panamaischer und honduranischer Flagge – auch um der bis 1941 geltenden Neutralität der USA zu genügen.

Nach 1945 ließen zuerst amerikanische und griechische Reeder ihre Schiffe in immer größerem Maß in Ländern wie Panama und Honduras registrieren, um Steuergesetzen und Sicherheitsvorschriften ihrer Heimatländer zu entgehen. In Liberia, das ausländischen Schiffen seit 1956 gegen eine Gebühr Freiheit von Steuern, Sozialabgaben und Sicherheitsstandards bietet, war das Schiffsregister lange eine der größten Einnahmequellen. Heute ist es eines der Beutestücke, um die im liberianischen Bürgerkrieg gekämpft wird.

Neben Panama, Liberia und Honduras zählen inzwischen auch Sri Lanka, die Bahamas, Malta, Zypern sowie achtzehn weitere Länder zum Kreis der Billigflaggen. Von insgesamt 84.000 Schiffen weltweit fahren inzwischen über 17.000 unter Billigflagge – darunter 800 Schiffe deutscher Reedereien. Am meisten profitieren von diesem System griechische Schiffsbesitzer, gefolgt von Japanern, US-Amerikanern und Norwegern.

Filipinos stellen die größte Gruppe unter den Seeleuten, die zu Niedriglöhnen und oft lebensgefährlichen Bedingungen an Bord von Billigflaggenschiffen anheuern. Unterboten werden sie zunehmend von chinesischen Seefahrern.

Katastrophale Sicherheitsmängel sind eine Hauptursache für Unfälle von Billigflaggenschiffen: Von den 120 Schiffen, die 1996 nach Unfällen als Wracks über oder unter dem Meeresspiegel endeten, waren über die Hälfte mit panamaischer, liberianischer, zypriotischer oder maltesischer Flagge gefahren.

Für Billigflaggenreeder rentiert sich das System trotzdem. Nach Berechnungen der OECD lassen sich die Betriebskosten durch die legalisierte oder geduldete Mißachtung von Standards und Vorschriften zum Arbeitsschutz und zur technischen Sicherheit um dreizehn Prozent senken – nach Abzug von Strafgeldern, die bei nationalen Hafenkontrollen anfallen können. Das ist pro Schiff und Jahr eine Ersparnis von bis zu einer Million Dollar.

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