: Beckmeyers Umweltsauereien gekippt
■ Niedersachsen will das Verklappen von Giftschlamm im Wattenmeer nicht mehr genehmigen / Teure Landentsorgung wirft Finanzprobleme auf / Umweltverbände bejubeln neuen Kurs
Bremens Häfensenator Uwe Beckmeyer (SPD) wird seine 350.000 Kubikmeter TBT-verseuchten Hafenschlick nicht los. Das niedersächsische Umweltministerium will plötzlich „definitiv keine Sondergenehmi-gung mehr zum Verklappen des Schlamms im Wurster Arm“ ausstellen, so Carola Schneider, persönliche Referentin von Minister Jüttner. Der Wurster Arm gehört zum Naturschutzgebiet Wattenmeer. Tributylzinn (TBT) – enthalten im Antibewuchsanstrich für Schiffe – ist ein hormonell wirkendes Gift, das Lebewesen unfruchtbar macht.
Dennoch war man in den Bremer Behörden davon ausgegangen, noch zwei Sondergenehmigungen zum Verklappen der 350.000 Kubikmeter Giftschlamm im Nationalpark zu erhalten. Denn ein Konzept, den Schlick aus dem Bremerhavener Überseehafen an Land zu entsorgen, liegt noch nicht vor.
Doch Bremen wird offensichtlich nichts anderes übrig bleiben, als diesen teureren Weg zu beschreiten. Denn mit dem Wegfall der Option, im Wurster Arm zu verklappen, bleiben dem Hansestadt Bremischen Hafenamt nur noch drei Alternativen, die anvisiert werden: Alle drei liegen in der Weser-Fahrrinne. Dagegen protestiert jedoch das Wasser- und Schiffahrtsamt (WSA). Zur Zeit wird aber genau diese Fahrrinne in der Außenweser auf 14 Meter Tiefe ausgebaggert. Dies war nur unter Umweltschutz-Auflagen genehmigt worden. Jetzt befürchtet das WSA, zusätzliche Belastungen durch den TBT-Schlamm könnten später auf die Baggerarbeiten zurückgeführt werden. Fazit: Auch diese Alternativen sind offensichtlich völlig unrealistisch.
Mit dieser neuen Linie scheint sich die niedersächsische Landesregierung neue Argumente zu verschaffen, um keine Sondergenehmigung ausstellen zu müssen. Denn nach Angaben von Hafenamtsleiter Hinrich Gravert haben die beteiligten Behörden bereits an einer endgültigen Formulierung für den Antrag zur Sondergenehmigung gebastelt. Allerdings hatte Hannover immer wieder Alternativen und ein Entsorgungskonzept für die Zukunft gefordert. Das aber ist Bremen allem Anschein nach zu teuer. Hamburg zum Beispiel trennt den giftigen Hafenschlamm in einer Zentrifuge vom Wasser und brennt aus dem Rest Ziegel. Kosten: 130 Millionen Mark.
Darum prüft das Hafenamt jetzt die rechtlichen Voraussetzungen, um auch das Baggergut aus den Bremerhavener Häfen auf der Klärschlammdeponie Seehausen lagern zu dürfen. Die Deponie ist bisher nur für Bremer Schlamm zugelassen und ausgelegt. Darum steht der Häfensenator jetzt vor dem TBT-Offenbarungseid.
Die Umweltverbände begrüßten den neuen Schritt der niedersächsischen Umweltbehörde. Die Aktionskonferenz Nordsee, der BUND und der WWF hatten Beckmeyer erst gestern vormittag scharf für sein Vorhaben, im Nationalpark hochgiftiges Baggergut zu entsorgen, kritisiert. Sie bezeichneten das Vorhaben als „völlige Ignoranz gegenüber Belangen des Gewässer- und Meeresschutzes“.
Gutachten haben ergeben, daß TBT zu hormonellen Veränderungen bei Schnecken führt, so daß diese aussterben. Das gleiche ließ sich mittlerweile auch bei Fischen und Krabben feststellen. Zumal die TBT-Konzentration in dem Hafenschlick mit bis zu 22.000 Mikrogramm pro Kilogramm mehr als das Tausendfache über dem kritischen Richtwert liegt, ab dem etwa Schneckenarten Schäden davontragen. Jens Tittmann
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