: Papa Patrick Lindner war einfach nur clever
■ Warum der schwule Musiker Patrick Lindner in Rußland ein Kind adoptierte
Berlin (taz) – „Guten Tag, lieber Anrufer. Büro Patrick Lindner. Wir sind zur Zeit telefonisch leider nicht erreichbar“, ertönt es vom anderen Ende der Leitung. Das Management des Volksmusik-Stars Patrick Lindner, der mit bürgerlichem Namen Friedrich Raab heißt, ist ausgeflogen.
Wenige Tage nachdem Linder per Bild und Bunte die Welt wissen ließ, daß er Daddy eines in Rußland adoptierten Kindes ist, will er dazu nichts mehr sagen. Auch das Münchner Kreisjugendamt, das Lindners Fall bearbeitet, verweigert die Aussage. Lindner selbst hat das Amt gebeten zu schweigen. Woran liegt's? Vielleicht daran, daß im Zusammenhang mit der Adoption auch Lindners Homosexualität thematisiert wurde? Weil der Eindruck entstand, bei dem prominenten – angeblich „alleinerziehenden“, de facto aber mit seinem Freund zusammenlebenden – Musiker würden die Behörden die Augen zudrücken?
Obwohl es rechtlich möglich ist, hatten es Singles in Deutschland bislang schwer, ein Kind zu adoptieren. Hierzulande kommen auf ein zur Adoption freigegebenes Kind etwa 20 Bewerberpaare, schätzt der Bundesverband der Pflege- und Adoptiveltern. Bewerbungen von Alleinstehenden sind – schon wegen der geringen Erfolgschancen – eher selten. „Alleinstehende Männer, die ein Kind adoptiert haben, kenne ich nicht“, sagt die Verbandsvorsitzende Ines Kurek-Bender. Ob Singles oder Paare – das örtliche Jugendamt unterzieht alle Anwärter einer genauen Eignungsprüfung: Polizeiliche Führungszeugnisse, Gesundheitszeugnisse, Verdienstbescheinigungen, die Wohnung und das soziale Umfeld der Bewerber werden gründlich inspiziert. In Einzelfällen wird auch ein psychologisches Gutachten verlangt.
Wer ein Kind adoptieren möchte, muß mit mindestens drei bis vier Vorbereitungsgesprächen rechnen und darf sich auf mehrere Seminarabende des Jugendamts freuen. In der Regel warten die Anwärter ein bis drei Jahre auf ein Kind. Hat es geklappt, läuft zunächst die „Adoptionspflege“ – eine Art Probephase. Erst wenn das zuständige Jugendamt überzeugt ist, daß die Aufnahme in der neuen Familie dem Wohl des Kindes dient, wird die Adoption rechtskräftig.
Die Hürden für die Adoption in Deutschland sind allemal hoch, der Konkurrenzdruck unter den Bewerbern groß. Als unverheirateter Mann hätte Lindner hierzulande kaum Chancen gehabt, ein Kind zu adoptieren. Doch Patrick Lindner war clever – und ging nach Rußland.
„Wenn ein Kind im Ausland adoptiert wird, ist das rechtskräftig. Vorausgesetzt, die Adoption wurde von einem Gericht vollzogen und kam nicht etwa durch einen ,Kaufvertrag‘ zustande“, erklärt Günther Gottschling vom bayerischen Landesjugendamt. Da aber ein internationales Abkommen für solche Fälle bislang fehlt, kann es bei der behördlichen Anerkennung der Adoption in Deutschland zu größeren Konflikten kommen: angefangen bei der Frage der Staatsangehörigkeit des Kindes bis hin zu Unsicherheiten in der Erbschaftsfolge. Folglich rät Günther Gottschling dem Volksmusikanten und allen anderen, die ein Kind im Ausland adoptiert haben, zu einer „Nachadoption“ in Deutschland – der Bestätigung des Adoptionsbeschlusses nach deutschem Recht. Der Tatsache, daß Lindner homosexuell ist, mißt er dabei wenig Gewicht zu. In Brandenburg zum Beispiel seien einige HIV-infizierte Kinder in die Obhut homosexueller Paare gegeben worden.
Doch Patrick Lindner ist offiziell ja „alleinerziehend“ – und wäre damit in jedem Fall ein Sonderfall. Volker Probst
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