piwik no script img

Stille um die stillen Helden

■ Bei der zentralen Gedenkfeier der Bundesregierung für die Opfer des Widerstandes vom 20. Juli 1944 traf die Kampagne gegen Wehrpflicht auf unerhoffte Sympathisanten unter den geladenen Gästen

Die Vertreter der Kampagne gegen Wehrpflicht gehörten bei der gestrigen zentralen Gedenkfeier zum 20. Juli 1944 nicht zu den geladenen Gästen. Trotzdem wurde ihnen, anders als in den vergangenen Jahren, problemlos Zutritt zum Ehrenhof der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in der Stauffenbergstraße gewährt, wo nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler Mitglieder der Bewegung des 20. Juli standrechtlich erschossen worden waren, unter ihnen auch der Attentäter Oberst Claus Graf Schenk von Stauffenberg.

Unter den etwa 350 geladenen Politikern, Hinterbliebenen, Bundeswehr- und Verbandsangehörigen fand sich überraschend der eine oder andere Sympathisant ihrer Forderung, auch der Opfer des „vergessenen Widerstandes“ zu gedenken. Nach Angaben der Kampagne wurden über 46.000 Todesurteile wegen Wehrkraftzersetzung, Desertion und Kriegsdienstverweigerung während des nationalsozialistischen Regimes ausgesprochen und mindestens 20.000 Urteile vollstreckt.

Eine Frau äußerte vor dem Betreten des Bendlerblocks ihre Kritik an einem fehlenden offiziellen Gedenken der „kleinen Landser“. „Ich begreife nicht, daß man sich so schwer tut mit den Deserteuren. Die sind mindestens so ehrenwert wie die anderen“, sagte die Frau, die immer wieder betonte, das sei ihre ganz persönliche Meinung. Ihren Namen wollte sie nicht nennen, weil sie einem Verband angehöre.

Selbst der Presseoffizier der Bundeswehr, Wolfgang Dobrig, wollte sich der Forderung der Kampagne gegen Wehrpflicht nicht ganz verschließen. „Als Mensch würde ich sagen, die haben auch Widerstand geleistet“, sagte er nach längerem Nachdenken. „Ich könnte mir vorstellen, die auch zu ehren.“

In den Reden der Bürgermeisterin von Berlin, Christine Bergmann (SPD) und von Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) kamen die Opfer des vergessenen Widerstandes zumindest zwischen den Zeilen vor. „Die Erinnerung heute nimmt den 20. Juli 1944 zum Anlaß, an alle Gruppen und Einzelpersonen zu erinnern, die sich aktiv der nationalsozialistischen Diktatur entgegengestemmt haben“, sagte Süssmuth. Christine Bergmann erwähnte im vorletzten Satz ihrer Rede „die stillen Helden“ und dankte „ihren Freunden und poliltischen Weggefährten“.

Doch das reichte den Vertretern der Kampagne gegen Wehrpflicht, die nach dem offiziellen Teil einen Kranz mit der Aufschrift „Den Deserteueren und Kriegsdienstverweigerern“ ablegten, nicht. „Der indirekte Widerstand wird nicht beim Namen genannt“, so Ralf Siemens. Schon allein das Auftreten der Bundeswehr bei der Gedenkfeier sei „ein Hohn“. Den musikalischen Rahmen übernahm das Bundeswehrmusikkorps mit einem Choral und der Nationalhymne, und wie immer bei plötzlichem Temperaturanstieg fielen einige Soldaten um.

„Die tragen noch die Karabiner von 1948“, merkte Ralf Siemens an. Vielleicht seien ja auch die Widerständler mit diesem Gewehrtyp erschossen worden, spekulierte er. Horst von Oppenfeld von der Stiftung 20. Juli 1944 („Ich war Ordonnanzoffizier bei Stauffenberg in Nordafrika“) billigte der Kampagne zumindest zu, „die Freiheit zu haben, dafür zu kämpfen“. Barbara Bollwahn

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen