„Anonymität im Internet ist so gut wie unmöglich“

■ Andy Müller-Maguhn, Sprecher des Chaos Computer Club, hält die Chancen, Kinderpornographie ohne Spuren im Internet anzubieten, für begrenzt. Hauptvertrieb wird außerhalb des Internets getätigt

taz: Soweit bekannt, hat der letzte Woche aufgedeckte internationale Ring von Kinderpornographen seine Ware auch im Internet angeboten. Ist das Internet dafür besonders geeignet?

Andy Müller-Maguhn: Nein, das Internet ist nur ein Vertriebskanal neben dem Postweg. Zum einen ist es im Internet so gut wie unmöglich, anonym zu bleiben. Wenn man in einen Sexshop geht, muß man dort zwar sein Gesicht zeigen. Aber danach geht man raus und ist verschwunden, im Internet dagegen hinterläßt man Datenspuren. Das ist nun nicht gerade das, was sich Kriminelle wünschen. Zum anderen gibt es immer noch kein Bezahlungsverfahren, das sich allgemein durchgesetzt hat, und schon gar keines, das anonym ist. Deswegen ist das Internet sicher nicht der Hauptvertriebsweg für solches Material, denn man kann hier ganz einfach kein Geld verdienen. Das kann man nur, wenn man den Kunden das Video in die Hand drückt. Das Internet kann höchstens zum Vertriebskanal neben anderen werden, wenn in diesem Milieu bereits Geschäftskontakte bestehen und die finanziellen Transaktionen zwischen Anbietern und Käufern schon geregelt sind.

Die Logfiles, die auf allen beteiligten Computern den Datenaustausch registrieren, scheinen die Pornohändler aber nicht abgeschreckt zu haben. Waren die bloß unvorsichtig?

Man muß unterscheiden, ob jemand etwas im Internet anbietet, oder ob jemand dort etwas vertreibt. Es ist sicherlich möglich, etwa in Chat-Kanälen oder per E-Mail solche Dinge zu verschicken. Auch diese individuelle Kommunikation der Geschäftspartner hinterläßt zwar Datenspuren, aber es ist in diesem Fall leichter, sie zu verwischen. Man muß ja auch bei einem Postpaket nicht unbedingt die richtige Absenderadresse draufschreiben, und das ist auch bei einer Zustellung über das Internet nicht nötig. Ich gehe davon aus, daß für diese Leute das Internet trotzdem nur bedingt nutzbar ist, denn immerhin ist bereits der Besitz von Kinderpornographie strafbar. Man kann diese Dinge also gar nicht offen anbieten – und das Netz wimmelt heute von Provokateuren, die gezielt nach solchen Angeboten suchen, und zur Polizei laufen, wenn jemand darauf eingeht. Das ist eine seltsame Szene, die sich da inzwischen im Netz herumtreibt.

Der Bund der Kriminalbeamten wirft den Innenministern vor, untätig gewesen zu sein.

Kinderpornographie ist ein Thema, das niemand lustig findet. Aber man kann damit auch nahezu beliebige Gesetze durchpeitschen. Vorstellbar wäre etwa ein Kryptographiegesetz, das der Polizei den Zugriff offenhält oder das Abschalten ganzer Teile des Internet. Doch selbst eine Überwachung des gesamten Datenverkehrs im Netz wird nicht verhindern, daß Kinderpornographie auch hier vorkommt. Interview: Niklaus Hablützel