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Totgeburten zu Granulat verarbeitet und entsorgt

■ Berliner Abfallgesellschaft sieht „sittlich kein Problem“. Senatorin will Gesetz ändern

Berlin (taz) – Eine Berliner Abfallgesellschaft hat von 1981 bis 1997 Tot- und Fehlgeburten aus Krankenhäusern der Hauptstadt und den neuen Bundesländern zu Granulat verarbeitet. Dieses Granulat wurde anschließend mit normalem Hausmüll verbrannt. Nach dieser Verbrennung bleiben Schlacken, die unter anderem im Straßenbau weiterverarbeitet werden. Seit 1981 in West- und nach 1990 in Gesamtberlin wurden bis 1997 weit mehr als 50.000 Fehl- und Totgeburten registriert.

Das ARD-Magazin Report hatte am Montag abend erstmals über diese Praxis berichtet. Eltern, die während einer Schwangerschaft ein Kind verloren, äußerten Empörung. Der Geschäftsführer der Sonderabfall-Entsorgungsgesellschaft KEG, Stefan Drauschke, bestätigte gestern die Fakten, erklärte aber: „Dies ist ein ganz normales technisches Vorgehen im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten.“ Dauschke, der das Verfahren entwickelte, sieht „sittlich überhaupt kein Problem“.

Berlins Gesundheitssenatorin Beate Hübner hingegen ist der Ansicht, die Verarbeitung von Tot- und Fehlgeburten in der KEG sei „ethisch nicht vertretbar“. Sie habe von diesem Verfahren nicht gewußt, erklärte die CDU-Politikerin. Das Berliner Bestattungsgesetz von 1995 sieht vor, frühreife Föten seien „in hygienischer einwandfreier und dem sittlichen Empfinden entsprechender Weise zu beseitigen“. Diese unscharfe Formulierung decke auch die Verarbeitung von Föten zu Granulat, meint die Gesundheitsbehörde, ein Gesetzesverstoß liege nicht vor. Die Senatorin prüft jetzt eine Änderung des Gesetzes.

Totgeborene Föten über 1.000 Gramm werden immer bestattet. Bei Föten zwischen 500 und 1.000 Gramm entscheiden die Eltern des Totgeborenen, ob eine Bestattung durchgeführt wird. Föten, die weniger als 500 Gramm wiegen, bleiben in der Verfügung der Kliniken.

Der gesundheitspolitische Sprecher der Bündnisgrünen, Bernd Köppl, verteidigte gestern diese Praxis: „Für die von Tot- oder Fehlgeburten betroffenen Frauen oder bei einer Abtreibung entsteht nach dem Ereignis keine personale Bindung an die abgestorbene Leibesfrucht.“ Robin Alexander

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