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Nigerias Machtelite häutet sich

Juntachef Abubakar kündigt einen neuen Zeitplan für die Demokratisierung an. Jetzt wird zunächst die herrschende Schicht eine neue Parteienlandschaft aufbauen  ■ Von Dominic Johnson

Politik in Nigeria ist ein Geschäft. Wer ein öffentliches Amt anstrebt, muß dafür je nach politischem System entweder die Herrschenden korrumpieren oder die Wähler. Wer kein Geld hat, verfügt auch über keinen Einfluß. Insofern ist der folgenreichste Aspekt des neuen Demokratisierungsprogramms, das Nigerias Juntachef Abdulsalam Abubakar am Montag abend verkündete, leicht zu benennen: Es ist der Passus, der die unter dem Vorgängerregime Abacha legalisierten Parteien auflöst und die Bildung neuer Parteien autorisiert.

Dieser Schritt betrifft vor allem die herrschende Elite. Unter General Sani Abacha waren am 1.Oktober 1996 fünf handverlesene Gruppierungen als politische Parteien zugelassen worden. Sie waren allesamt regimetreu und hatten mit Nigerias historischen Parteien, die auf regionale Identitäten gründeten, nichts gemein. Umgerechnet insgesamt 40 Millionen Mark schüttete die Militärregierung über diesen Parteien aus, womit sie Wahlkämpfe für vom Volk vollständig ignorierte Wahlen finanzieren konnten. Zugleich gab Nigerias Geschäftselite Millionensummen aus, um Parteiposten zu kaufen. Dieses durch und durch korrupte Spiel hatte mit demokratischer Willensbildung nichts zu tun, sondern diente allein dem Zweck, wirtschaftliche Kraft in politische Macht umzuwandeln.

Nach Abachas Tod am 8. Juni war die drängendste Frage für die Herrscherelite aus Militärs und Geschäftsleuten nicht, wie mit der aufsässigen Opposition umzugehen sei, sondern wie diese massiven politischen Investitionen auch über einen politischen Neuanfang hinüberzuretten seien. Da die alten Parteien sich Abacha verschrieben hatten, mußten sie verschwinden – aber sollten die Millionenausgaben umsonst gewesen sein? Dies würde der Regierung nur neue Feinde schaffen.

Es war wohl dieses schwer lösbare Problem, das Abubakar davon abhielt, gleich nach seinem Amtsantritt am 8. Juni ein eigenes Demokratisierungsprogramm vorzulegen. Statt dessen eröffnete er eine Beratungszeit, in der die gesamte Elite sich mit dem neuen Regime kurzschließen durfte. Nun hat Abubakar gesprochen – und am glücklichsten über die Auflösung der fünf alten Parteien sind die Führer dieser Parteien selber. „Ich begrüße das“, sagte zum Beispiel der Vizevorsitzende der größten Partei UNCP (United Nigeria Congress Party), Bode Olajumoke. „Ich sehe es als Neuanfang, dem sich jeder patriotische Nigerianer verschreiben muß.“

Die alten Parteigrößen sind schon seit Wochen dabei, ihre bisherigen fünf Parteien wie alte Schlangenhäute abzustreifen und sich auf neue Allianzen zu besinnen. Fast täglich findet irgendwo in Nigeria ein Politikertreffen statt, auf dem über neu zu gründende Parteien nachgedacht wird. Sicher macht Abubakar es nicht ganz leicht: Die Reichtümer der bisherigen Parteien werden eingezogen, und insofern haben die politischen Investoren der letzten fünf Jahre ihr Geld tatsächlich verloren. Aber laut Abubakar ist im versprochenen freien Mehrparteiensystem weder staatliche noch ausländische Parteienfinanzierung erlaubt. Jetzt kann also erst recht niemand mehr politischen Einfluß gewinnen, der nicht heute schon Geld hat. Bis zu den angekündigten Wahlen Anfang 1999 ist die Zeit kurz.

Aus den bisherigen Überlegungen zur Neuformierung einer systemkonformen Parteienlandschaft in Nigeria läßt sich allerdings ein Trend herauslesen: Die Ethnisierung der Politik, die unter Abacha vor allem bei der Opposition sichtbar wurde, überträgt sich ins regierungsnahe Lager. Die neuen Parteien werden die regionalen Spaltungen Nigerias nicht überwinden, sondern sich auf sie stützen. Auch wenn die Machtübergabe am 29. Mai 1999 zustande kommt, wird es dann vermutlich nicht lange dauern, bis wieder ein General die Macht ergreift unter der Losung, die Einheit der Nation müsse gerettet werden.

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