: Polizeiskandal wird zu Geheimdienstskandal
■ Innenverwaltung: Vorwürfe gegen Polizeidirektor wegen angeblicher Mitgliedschaft bei Scientology nicht beweisbar. Widerspruch zu früherer Auskunft des Verfassungsschutzes. Geheimdienstarbeit soll
Der Skandal um die vermeintliche Scientology-Mitgliedschaft des Polizeidirektors Otto D. ist mit einem Rückzug von Innenverwaltung und Verfassungsschutz sowie der vollständigen Rehabilitierung des Verdächtigen beendet worden. Gestern räumte die Innenverwaltung ein, Otto D.s Mitgliedschaft in der Scientology-Sekte sei nicht zu beweisen. Die Verwaltung von Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) hob deshalb die Suspendierung von D. als Leiter des Polizeilichen Lagedienstes auf und setzte ihn in seine ursprüngliche Funktion wieder ein. Sowohl D. als auch Scientology hatten die Vorwürfe von Verwaltung und Verfassungsschutz wiederholt bestritten.
Mit der Rehabilitierung des Polizeiführers hat die Innenverwaltung eine Kehrtwende vollzogen und die Arbeit des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) in das Zentrum der Kritik gerückt. Denn nach einem anonymen Schreiben, das D. vorwarf, er sei Mitglied bei Scientology und habe in dieser Funktion Kollegen genötigt, wurde der Polizist im März von seiner Tätigkeit entbunden. Eine Durchsuchung seines Hauses durch die Staatsanwaltschaft brachte keine Beweise für die Vorwürfe. Die Suspendierung von D. begründete die Innenverwaltung mit einer „Behördenauskunft“ des Verfassungsschutzes. Diese Auskunft stütze sich nach einem Bericht des Tagesspiegel einzig auf „geheimdienstliche Informationen“ eines LfV-Informanten innerhalb von Scientology, der die Mitgliedschaft von D. bestätigte.
Nun ist das LfV dem Verdacht in einer „Sicherheitsüberprüfung“ noch einmal nachgegangen – und ist nach Auskunft der Innenverwaltung „nach gründlicher Auswertung aller gewonnenen Erkenntnisse und unter Abwägung rechtsstaatlicher Grundsätze zu dem Ergebnis gelangt, daß die gegen den Polizeidirektor D. erhobenen Vorwürfe, er sei Mitglied der Scientology-Organisation, nicht belegt werden können“. Die Innenverwaltung als Aufsichtsbehörde des LfV kündigte eine „intensive Untersuchung“ an. Ein Bericht über die „Affäre Otto D.“ soll dem Verfassungsschutzausschuß des Abgeordnetenhauses in der ersten Sitzung nach der Sommerpause vorgelegt werden.
Für Enrique Riebet-Buse, Anwalt von Otto D., ist das Vorgehen des LfV „im besten Fall Schlamperei“. Für ihn komme der Rückzieher der Innenverwaltung überraschend, weil das LfV im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht gegen die Suspendierung von D. bereits einer Akteneinsicht durch die Anwälte zugestimmt hatte. „Offensichtlich hat die Behörde selbst erkannt, daß die Beweislage nicht ausreicht“, so Riebet-Buse.
Auch der Versuch, den Verdacht gegen D. aus einer zweiten Quelle neben dem LfV-Spitzel bei Scientology zu erhärten, endete für den Geheimdienst mit einer Schlappe. Für 5.000 Mark sollte ein Informant aus der Berliner Scientology-Filiale angeworben werden, um Informationen über D. und Führungskader der Sekte zu liefern. Der Angesprochene nahm das Geld und erklärte sich zu einer Zusammenarbeit dennoch nicht bereit. Alles, was die Innenverwaltung von der Aktion hat, ist ein weiteres Gerichtsverfahren: Scientology will vor dem Verwaltungsgericht Berlin dem Land untersagen lassen, Scientologen durch Geldzahlungen für Spitzeldienste anzuwerben. Bernhard Pötter
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