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■ KommentarMenschenwürde geht vor

Wieviel darf ein schwerst pflegebedürftiger Mensch die Gesellschaft kosten? Dürfen es 21.000 Mark im Monat sein oder nur knapp die Hälfte? Der Gesetzgeber hat dies in das Ermessen der Sachbearbeiter in den Sozialämtern gestellt. In Zeiten knapper Kassen ist da die Versuchung groß, die Kosten pro Einzelfall gering zu halten.

Daß ein Verwaltungsrichter bei der Abwägung zwischen den Kosten und dem Recht auf Privatsphäre im Fall der 37jährigen Spastikerin Annemarie Stickel den Sozialamtsbürokraten folgt, ist fatal. Zumal das Gericht anerkannt hat, daß die Heimpflege der jungen Frau unzulänglich war und sich ihr Gesundheitszustand durch die Pflege zu Hause verbessert hat. Trotzdem mutet es ihr die erneute Heimeinweisung zu. Auf der Strecke bleibt die Menschenwürde. Schwerstbehinderten wird damit ein Recht auf ein selbstbestimmtes Leben in den eigenen vier Wänden abgesprochen. Ihr Recht auf Privatsphäre wird fiskalischen Überlegungen geopfert.

Mit dem Gerichtsurteil bewahrheiten sich die Befürchtungen, die Behindertenverbände bei der Verschärfung des Sozialhilfegesetzes vor anderthalb Jahren geäußert haben. Die Übernahme der Pflegekosten ist zum Gnadenakt geworden. Dabei könnten sich die Behörden mehr Menschlichkeit sogar leisten. Die Zahl derer, die der kostspieligen Rund-um-die-Uhr-Pflege bedürfen, ist relativ gering. Hinzu kommt, daß die Sozialhilfeausgaben durch die Einführung der Pflegeversicherung erheblich gesunken sind. Die Pflegekassen selbst haben beträchtliche Rücklagen angehäuft. Menschenwürde geht vor, auch wenn es etwas mehr kostet. Dorothee Winden

Bericht Seite 18

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