: Ein Platz der Schönheit und der Vergeblichkeit
■ Der Streit ums Holocaust-Mahnmal spiegelt sich auch in Absagen von KünstlerInnen wider
Die erste Absage hatte intellektuelle Gründe. „Man kann nicht alles an Objekte delegieren“, hatte Jochen Gerz schon 1995 zum Dilemma um die künstlerische Gestaltung des Holocaust-Mahnmals erklärt und auf eine Teilnahme an dem ersten Wettbewerb verzichtet. Drei Jahre später sind die Bedenken geblieben, nur ist die Lage jetzt umgekehrt. Weil es offenbar einen „Konsens von Intellektuellen und Politikern“ über einen momentanen Verzicht auf das Denkmal gebe, zog der in Paris lebende Konzeptkünstler seinen Entwurf für die zweite Auslobung des Mahnmals zurück. Dabei ist Gerz vor allem enttäuscht, daß es „keinen öffentlichen Auftrag mehr für die Realisierung eines solchen Denkmals gibt“. Statt über eine mögliche Entscheidung zu diskutieren, sagt er, habe man in den Parteien das Thema jetzt zu einer Frage im Wahlkampf gemacht.
Mit dem Rückzug von Gerz wächst die Liste der Absagen von KünstlerInnen weiter an. Seitdem im Juli 1997 zum zweiten Wettbewerb noch mal 25 KünstlerInnen eingeladen wurden, haben acht der Beteiligten von dem Projekt Abstand genommen. Direkt reagierten der französische Erinnerungskünstler Christian Boltanski und die Britin Rachel Whiteread, die noch in der ersten Woche absagten. Außerdem gaben der Spanier Eduardo Chillida sowie Fritz König, Christoph Hackelsberger und Ulrich Rückgriem den Auslobern einen Korb. Zuletzt war im Juni dieses Jahres der US-Bildhauer Richard Serra aus seiner Zusammenarbeit mit dem Architekten Peter Eisenman ausgestiegen, obwohl ihr gemeinsamer Entwurf vom Kanzler favorisiert wird. Allerdings legte Serra Wert auf die Feststellung, daß seine Entscheidung nicht wegen der schleppenden Debatte oder inhaltlicher Streitigkeiten mit Kohl zustande gekommen sei – wohl aber aus „professionellen Gründen“.
Tatsächlich ist die Skepsis über das Vorhaben unter KünstlerInnen ebenso groß wie bei anderen Bedenkenträgern des politischen und intellektuellen Lebens. Gerz und Boltanski hegen ein ungeheures Mißtrauen gegenüber Symbolen, die den Holocaust repräsentieren sollen. Kein Bild könne den Mord an sechs Millionen Juden widerspiegeln, darin sind sich Kunst und Politik nach wie vor einig. Doch für Gerz war sein Entwurf, der unter anderem eine Befragung der Besucher des Mahnmals vorsah, ein Versuch zu zeigen, „daß der Mensch fähig ist, etwas zu tun, was er nicht kann – etwas zu tun, was nicht sinnvoll ist; etwas zu tun, was über ihn hinausgeht. Das ist für mich Courage, Revolte, das Herz des Widerstands. Darum ist der Platz für das Mahnmal ein Platz der Vergeblichkeit, der Erinnerung und zugleich ein Platz der menschlichen Schönheit.“
Am Ende war Gerz nicht bereit, seine Ideale der momentanen Gemengelage auszusetzen. Zuletzt hatte Michael Naumann als designierter Kulturbeauftragter Gerhard Schröders die Denkmalsentwürfe sehr pauschal mal als Kitsch bezeichnet und mal mit der Monumentalarchitektur von Albert Speer verglichen. Die Architektin Gesine Weinmiller, deren Entwurf ebenfalls zur engeren Auswahl gehört, will sich nicht von solchen „unqualifizierten“ Äußerungen abschrecken lassen. Für sie bleibt ihr Entwurf „als solcher bestehen“ – auch „in heutigen Wahlkampfzeiten“. Harald Fricke
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