: Grüne für Freigabe von Haschisch
■ Grüne Fraktionssprecherin Kerstin Müller präsentiert Thesen zur Inneren Sicherheit und wirft SPD und Union Stammtischparolen vor. Freigabe von Haschisch als Teil der neuen Drogenpolitik
Bonn (taz) – Mit einer scharfen Abgrenzung haben gestern die Bündnisgrünen auf die Konzepte von SPD und Unionsparteien zur Inneren Sicherheit reagiert. „Man kann die sozialen Probleme nicht wegsperren“, erklärte Fraktionssprecherin Kerstin Müller in Bonn. Die Vorstellungen der großen Parteien seien „von einem gemeinsamen Ungeist“ geprägt. „Besonders erschütternd“ nannte sie es, daß jetzt auch die SPD bereit sei, „die Liberalität des Rechtsstaats über Bord zu werfen. Die neue Mitte der Inneren Sicherheit ist in diesem Fall wohl der alte Stammtisch.“
Es solle den Bürgern vorgegaukelt werden, härteres Durchgreifen und höhere Strafandrohungen könnten tatsächlich mehr Sicherheit vermitteln oder Kriminalität verhindern. Dabei seien die Kriminalitätsrate und die Zahl der Drogentoten trotz zahlreicher Strafverschärfungen und Grundrechtseinschränkungen seit dem Amtsantritt von Bundeskanzler Kohl „deutlich gestiegen“, so Müller. Ablehnend hatten sich Bündnisgrüne schon unmittelbar nach Vorstellung der Papiere von SPD und Union geäußert. Gestern bündelte die Fraktionchefin diese Kritik und verwies auf alternative Konzepte ihrer Partei: „Statt die Folgen einer verfehlten Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik zu kriminalisieren, plädieren wir dafür, vorrangig die Ursachen von Kriminalität zu bekämpfen.“ Die Grünen setzten „auf soziale, organisatorische, städtebauliche und technische Prävention“.
Im einzelnen wandte sich Müller dagegen, die „vielbeschworene Ausländerkriminalität“ als „Drohkulisse zu Wahlkampfzwecken“ zu mißbrauchen. Notwendig sei statt Ausgrenzung und Abschiebung die Anerkennung der doppelten Staatsbürgerschaft und das Geburtsrecht auf den deutschen Paß. Auch im Bereich des Jugendstrafrechts forderte sie integrative und vorbeugende Maßnahmen wie Initiativen gegen Jugendarbeitslosigkeit und für Sozialarbeit. Müller verwies darauf, daß die umstrittene Unterbringung krimineller Jugendlicher in geschlossenen Heimen bereits nach geltendem Recht möglich sei. Ein entsprechender Vorstoß der SPD sei „keine Antwort“ auf bestehende Probleme. Als „vage und undeutlich“ bezeichnete Müller die Drogenpolitik der SPD. Sie wiederholte die Forderung ihrer Partei nach Freigabe von Haschisch, wandte sich aber ausdrücklich gegen die Freigabe synthetischer Rauschgifte wie Ecstasy. Der Teufelskreis von sozialer Verelendung und Beschaffungskriminalität lasse sich nur durchbrechen, wenn Süchtigen wie Kranken geholfen werde und sie nicht mehr kriminalisiert würden. Bettina Gaus
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