: Schwarzwälder Stromrebellen mit eigenem Netz
■ Waldkirch beschließt einstimmig den Abschied vom Badenwerk und gründet Stadtwerke
Waldkirch (taz) – Die Schönauer Übernahme des Stromnetzes in kommunale Eigenregie hat eine weitere badische Gemeinde beflügelt: Der Gemeinderat in Waldkirch bei Freiburg beschloß am Mittwoch abend einstimmig, eigene Stadtwerke zu gründen und das Stromnetz zum 1. Januar 1999 vom Badenwerk zu übernehmen.
Vorangegangen war der Entscheidung eine rund siebenjährige Diskussion. Am Ende kam der Waldkircher Gemeinderat einhellig zu der Meinung, daß eigene Stadtwerke für die 20.000 Einwohner der Gemeinde nur von Vorteil sein können. „Auch unter dem neuen Energiewirtschaftsgesetz sind die wirtschaftlichen Risiken vertretbar“, sagte SPD-Bürgermeister Richard Leibinger, der den Kauf des Netzes massiv vorangetrieben hatte.
Fast euphorisch äußerten sich alle Fraktionen in ihren Stellungnahmen zu den neuen eigenen Stadtwerken, die in Waldkirch eine mehr als 60 Jahre währende Badenwerk-Ära beenden. Für die Verbraucher werde der Strom billiger, die Gemeinde werde Gewinn erwirtschaften, und der Klimaschutz spiele (anders als bislang beim Badenwerk) bei der Stromversorgung künftig eine entscheidende Rolle. Und nicht zuletzt erhoffen sich zahlreiche Gemeinderäte eine „bislang nicht gekannte Kundennähe“ des neuen Stromversorgers.
Gut 16 Millionen Mark werden für das Netz fällig. In langwierigen Verhandlungen war es der Stadt gelungen, den Preis von ursprünglich mehr als 21 Millionen Mark zu drücken. Doch auch den ausgehandelten Betrag, vom Aachener Ingenieurbüro BET als Sachzeitwert ermittelt, wird die Stadt nur unter Vorbehalt bezahlen, da noch in diesem Jahr eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes zur Bewertung von Stromnetzen erwartet wird.
Einigkeit herrschte in Waldkirch auch darüber, daß man einen Partner mit einem Anteil von maximal 40 Prozent an den neuen Stadtwerken beteiligen wird. Da das Badenwerk zumindest vorerst Stromlieferant bleibt, wird es als Teilhaber aber wahrscheinlich nicht zum Zuge kommen – man möchte sich schließlich nicht allzusehr von einem Lieferanten abhängig machen. Der Gemeinderat beauftragte statt dessen die Stadtverwaltung, mit dem Alb-Elektrizitätswerk im württembergischen Geislingen an der Steige über eine Beteiligung zu verhandeln.
Die Waldkircher Entscheidung war in ganz Südbaden mit großer Spannung erwartet worden, weil zahlreiche Gemeinden nach dem Erfolg der Schönauer Netzkauf- Initiative derzeit über den Aufbau eigener Stadtwerke nachdenken.
Konkrete derartige Pläne gibt es bereits in den beiden südbadischen Kreisstädten Emmendingen und Lörrach, weiterhin in Umkirch bei Freiburg sowie in Weil am Rhein nahe Basel. Bernward Janzing
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