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Entscheidung kann sich hinziehen

■ Zur Klärung der Frage, ob Mehmet in die Türkei abgeschoben wird, benötigt der Bayerische Verfassungsgerichtshof noch Zeit. Ausländerbeauftragte Schmalz-Jacobsen übt weitere Kritik

München (ap/afp) – Die Entscheidung, ob Mehmet in die Türkei abgeschoben wird, kann sich noch einige Wochen hinziehen. Der Anwalt des 14jährigen Jungen habe 14 Tage Zeit zur Begründung seiner Beschwerde gegen den Ausweisungsbeschluß des Verwaltungsgerichts, teilte gestern der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit. Anschließend könne die Stadt München, die das Ausweisungsverfahren betreibt, eine Stellungnahme abgeben.

Der 14jährige, in Deutschland geborene Junge Mehmet soll wegen einer Vielzahl strafrechtlicher Delikte außer Landes gewiesen werden. Vor seiner Abschiebung will der Münchener Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) noch die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs abwarten. Mehmets Eltern sollen auch abgeschoben werden. Ude verteidigte gestern erneut die beiden Entschlüsse. Es handle sich um einen „absoluten Ausnahmefall“, mit dem die Juristen Neuland beträten. Ude räumte ein, daß ein in Deutschland geborenes Kind Teil der Gesellschaft sei und auch so behandelt werden müsse.

Die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Cornelia Schmalz-Jacobsen (FDP), kritisierte das Urteil, mit dem das bayerische Verwaltungsgericht den Ausweisungsbeschluß am Dienstag für zulässig erklärt hatte. Die Richter hatten darauf hingewiesen, daß nach dem Ausländergesetz auch Minderjährige und Heranwachsende ausgewiesen werden könnten. Dazu erklärte Schmalz- Jacobsen, die Entscheidung sei „nur formal nicht zu beanstanden“. Inhaltlich könne sie zur Trennung des Minderjährigen von seinen Eltern führen, die der Gesetzgeber so niemals beabsichtigt habe.

Auch die Ausweisungsverfügung gegen die Eltern müsse einer rechtlichen Prüfung erst noch standhalten, erklärte Frau Schmalz-Jacobsen. Es sei zu fragen, warum die Münchner Behörden nicht zunächst die Möglichkeiten des Strafrechts ausgeschöpft hätten. Dieses bedroht Eltern, die durch Vernachlässigung ihrer Erziehungspflicht einen Minderjährigen auf die kriminelle Bahn geraten lassen, mit bis zu drei Jahren Gefängnis. Schmalz-Jacobsen wies darauf hin, daß eine Freiheitsstrafe in dieser Höhe auch die Ausweisung zur Folge hätte. Wenn die Behörde dennoch diesen Weg nicht gegangen sei, so offenbar deshalb, weil die Strafrechtsbestimmung dann auch auf deutsche Eltern angewendet werden müßte, was bisher niemand gefordert habe. „Wir behandeln Gleiches, nämlich Jugenddelinquenz, nicht gleich, und tun so, als habe sie manchmal etwas mit der Staatsangehörigkeit zu tun“, sagte Schmalz-Jacobsen.

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