: Kinderarbeit: Kein Thema für deutsche Industrie
■ Einer Unicef-Studie zufolge interessiert sich die Mehrheit der deutschen Unternehmen nicht dafür, ob ausländische Zulieferfirmen auch Kinder beschäftigen
Bonn (taz) – Deutsche Unternehmen nehmen den weltweiten Kampf gegen Kinderarbeit bei weitem nicht ernst genug. Diese Bilanz zog das Kinderhelfswerk der Vereinten Nationen, Unicef, nach einer Befragung von 305 international tätigen Unternehmen. Nur 52 Firmen waren bereit, sich zum Thema Kinderarbeit zu äußern, obwohl allen Befragten Anonymität zugesichert wurde. Von diesen 52 Firmen haben fast die Hälfte noch nie überprüft, ob eine ihrer Zulieferfirmen Kinder beschäftigt. Lediglich fünf Unternehmen befassen sich laut Unicef intensiv und systematisch mit dem Thema Kinderarbeit.
Unicef-Sprecher Rudi Tarneden sagte: „Wir wollen die Unternehmen unter Zugzwang setzen.“ Als Instrument fordert Unicef dafür internationale Sozialnormen, für die ähnlich wie bei den ISO-Normen Zertifikate von unabhängigen Prüfungsgesellschaften an die Unternehmen verteilt werden. „Wir brauchen einen Wettbewerb der Unternehmen um ihre Glaubwürdigkeit. Sie müssen sich endlich in die Diskussion einklinken und informieren.“
Tatsächlich scheinen deutsche Firmen über das Thema Kinderarbeit generell wenig informiert. Weder der Deutsche Industrie- und Handelstag noch der Bundesverband der deutschen Industrie oder der Verband des Groß- und Außenhandels haben neben der generellen Bemerkung, daß Kinderarbeit zu verurteilen sei, Stellungnahmen zum Thema vorzuweisen. Unicef-Geschäftsführer Dietrich Garlichs: „Das Bewußtsein in Deutschland hängt hinter der amerikanischen Debatte zurück.“ So durfte Unicef auch die Namen der Textil- und Sportartikelhersteller nicht nennen, die in der Studie durch eigene Konzepte gegen Kinderarbeit aufgefallen waren. Dabei entscheiden 68 Prozent aller deutschen Konsumenten auch nach der Frage, wie sozial verantwortlich der Hersteller handelt.
Im Bundeswirtschaftsministerium erhalten die Forderungen von Unicef nach internationalen Sozialstandards nur verhaltene Unterstützung. Es sei wichtig, daß diese positiv formuliert seien und keine Firmen diskriminieren. Eine Gesetzesinitiative zu sozialen Standards lehnt das Rexrodt-Ministerium ab. Unicef schätzt, daß weltweit zehn Millionen Kinder Produkte fertigen, die in Industrieländer verkauft werden. Cornelia Fuchs
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