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Politische Promiskuität und Heldentum

■ Ex-Diktator kann mit einst blutig verfolgter Opposition. Davon und von Touren durch das Land auf den Spuren von Outlaws und Guerilleros erzählt der Reiseführer „Nah dran – Bolivien“

Vor knapp zwei Jahren haben wir an dieser Stelle einen neuen Stern am Reiseführerhimmel gelobt: Den „Reisekompaß Nah dran – Kolumbien“ des kleinen Sebra Verlags von Hella Braune und Frank Semper. Nun hat das fleißige Paar sich eines weiteren südamerikanischen Landes angenommen, und wieder ist ein Band herausgekommen, der es an Informationsfülle mit den prallen englischsprachigen Südamerikaführern (wie Lonely Planet oder South American Handbook) aufnehmen kann.

Auch wenn in Bolivien derzeit der Ex-Diktator Hugo Banzer als gewählter Präsident die Macht innehat, ist das Land zwischen Titicacasee, Kordilleren und Chaco nach 16 Jahren Demokratie am Stück inzwischen ein echter Reisetip. Aus dem ehemals von Putschen und Diktaturen geschüttelten Unruheherd ist eines der friedlichsten und freundlichsten Länder des Subkontinents geworden. Vielleicht ist es ja die politische Promiskuität à la boliviana – wo inzwischen jeder mit jedem kann –, die dem Land zu diesem Frieden verholfen haben. Banzer etwa ist heute mit Personen und Parteien verbandelt, die er als Diktator in den siebziger Jahren blutig verfolgte. Und Che Guevara, der vor 30 Jahren auf Befehl der Regierung umgebracht wurde, ist inzwischen eine nationale Kultfigur geworden, die Revolutionäre wie Bourgeoisie gleichermaßen verehren. Braune/Semper, die genauen, beschreiben auf zehn Seiten, wie man heute auf der „Ruta del Che“ im Süden des Landes auf den Spuren des argentinischen Bilderbuchguerilleros wandeln kann.

Die Routen- und Tourenvorschläge sind neben den vielen präzisen Angaben zu Essen, Unterkunft, Preisen und Verkehr das Herzstück des neuen Bolivien- Führers. Dabei reichen die Vorschläge von Naturschutzparks über Klettertouren (Bolivien verfügt über zehn 6.000er!) bis hin zur „Ruta de Butch Cassidy und Sundance Kid“ (alias Newman/Redford). Dabei bleiben die Städte nicht außen vor.

Genaue Beschreibungen mit viel Hintergrundinformationen machen das Buch zu einem idealen Reisebegleiter. Wo erfährt man schon Handfestes über den „Telmatobius culeus“ vulgo Titicacafrosch? Braune/Semper geben nicht nur einen Steckbrief des glubschäugigen, schmackhaften Gesellen, sie wissen auch, daß er als „weinender Frosch“ der Aymaras in Trockenzeiten in einem Krug in den Bergen ausgesetzt wird, um den Regen zu rufen.

Eine nachahmenswerte Idee, sofern es auch umgekehrt funktioniert. Thomas Pampuch

Hella Braune/Frank Semper: „Nah dran – Bolivien“. Sebra Verlag, Wrangel Str. 115, D-20253 Hamburg, 472 S. 42,80 DM

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