piwik no script img

Bahn versorgt abgelegte CDU-Politiker

■ In der Chefetage der DB ist ein Parteibuch wichtiger als betriebswirtschaftliche Kenntnisse. Vor den Wahlen kriegen Unionspolitiker dort schnell noch ein paar hübsch lukrative Jobs

In der Chefetage der Deutschen Bahn Aktiengesellschaft geht es fast zu wie in der CDU-Zentrale. Leute, die von der Organisation eines Bahnbetriebs Ahnung haben, sind hier die Ausnahme. Auch betriebswirtschaftliche Vorkenntnisse sind kein Muß. Dafür haben hier viele ein Parteibuch – Tendenz steigend. Böse Zungen behaupten, daß das Verkehrsministerium längst davon ausgeht, die Bundestagswahl gehe dieses Mal verloren. Deshalb sollten vor dem befürchteten Einbruch der CDU im September schnell noch ein paar Unionspolitiker mit lukrativen Jobs versorgt werden.

Ein entscheidender Strippenzieher ist Johannes Ludewig (CDU). Der heutige Bahnchef hat eine jahrzehntelange Beamtenkarriere hinter sich und war bis 1997 als Staatssekretär für den „Aufschwung Ost“ zuständig. Konzernerfahrung konnte der promovierte Volkswirt nicht vorweisen, als er vor etwa einem Jahr den heutigen Aufsichtsratsvorsitzenden Heinz Dürr (ebenfalls CDU) beerbte. Der Kanzler selbst sorgte dafür, daß Ludewig den Job bekam – trotz des Wunsches vieler Aufsichtsratsmitglieder, einen erfahrenen Mann aus der Wirtschaft zu holen. Doch Hartmut Mehdorn, Chef der Heidelberger Druckmaschinen AG und vorher erfolgreicher Manager beim Luft- und Raumfahrtskonzern Dasa, war gegen das Votum Helmut Kohls nicht durchsetzbar.

Einstellungsverträge für CDU-Parteifreunde

Das Gesetz schreibt vor, daß die Deutsche Bahn AG zum Jahreswechsel in eine Holding mit vier Aktiengesellschaften umgewandelt wird. Ludewig hat angeordnet, daß schon vorher eine Art Probelauf stattfindet. „Als-ob-Struktur“ nennt er das. Doch die Einstellungsverträge, die der Bahnchef bereits mit zahlreichen Parteifreunden und der CDU nahestehenden Leuten in den vergangenen Monaten abgeschlossen hat, sind nicht provisorisch. Um ein paar zusätzliche Stellen verteilen zu können, hat Ludewig flugs auch noch eine fünfte Aktiengesellschaft geplant, die für die Bahnhöfe zuständig sein wird. Zusätzlich zu den Posten in der Holding, der er selbst vorstehen wird, gibt es in jeder der künftigen AGs vier bis fünf Jobs in der Chefetage zu besetzen – jeweils dotiert mit einigen hunderttausend Mark im Jahr.

Das Patenonkel- prinzip

Im Vorstand der Holding wird neben Ludewig mindestens noch ein weiterer CDU-Mann sitzen: Peter Reinhardt, der für die Immobilien zuständig ist. Heinrich Brüggemann, ein CDUler aus Nordrhein- Westfalen, kümmert sich beim Nahverkehr ums Personal. Und der Ex-Ministerpräsident Werner Münch – ebenfalls CDU – vertritt die Bahn in Brüssel. Stephan Heimbach, früher Redenschreiber von Helmut Kohl, soll die Pressestelle leiten. Die dadurch verdrängte Anfried Baier-Fuchs (CDU) ist künftig im Vorstand der Nahverkehrs-AG für Marketing zuständig. Bereits im Mai hat Ludewig den CDU-Mann Axel Nawrocki zum Vorstand für die künftige Fernverkehrs- und Touristik AG bestellt – gegen den Protest mehrerer Ausichtsratsmitglieder. Der Mann hat noch nie in einem normalen Betrieb gearbeitet und keinerlei Ahnung von Tourismus. Bei der Olympiabewerbung Berlins sorgte er für zahlreiche Skandale und leitete danach, dank CDU-Parteibuch, die Berliner S-Bahn. Doch die beiden Männer sind nicht nur politisch, sondern auch persönlich eng verbunden: Laut Süddeutscher Zeitung ist Ludewig der Patenonkel von Nawrockis Sohn. Und beide gelten als enge Vertraute des Kanzlers.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen