■ Normalzeit: „Popp, Stolizei!“
Das Denken wird polizeilich. Die Filmhelden sind zunehmend Bullen. Die Null-Toleranz-Politik ersetzt das Wirtschaftslenken, und die Massenmedien sind nur noch Amtsblätter für Fahndungsprojekte, denen selbst Feministen, Elterninitiativen und liberale Wissenschaftler zuarbeiten. Die Innere Sicherheit wird so Seelenreinigung des vereinigten Volkskörpers. Dabei gibt es nichts Dümmeres und Verwerflichers als Polizeidenken. Ein Interviewbeispiel von gestern: „Es wurde ein Verdacht auf Brandstiftung festgestellt, und danach wird jetzt ermittelt.“ Diese ebenso hilflose wie verdinglichte Sprache, die massenhaft bei Nachkriegspsychotikern festgestellt wurde, will ausdrücken: „Der Einsatzleiter hat den Verdacht, daß Brandstiftung vorliegt, und jetzt sammeln wir Hinweise darauf.“ Das vertikal-monologische Polizeidenken läßt grammatikalisch und kompositorisch nichts unversucht, sich mittels subjektloser Substantivierungen zum Verschwinden zu bringen. Diese Lüge konstruiert die Realität neu – und schöpft daraus laufend Täter-Konjunkturen ab: „Dealer“, „Terroristen“, „ausländische Prostituierte“, „Banden“, „Sex-Bestien“, „Schwarzarbeiter“, „Serientäter“ etc. Die Ami- unterworfenen Medien arbeiten dem nicht nur deswegen zu, weil „Sex and Crime sells“, sondern auch, weil sie die Ethnisierung und Entpolitisierung der Konflikte selbst über ihre „Professionalisierung“ mitmachen. So gibt es z.B. in den Zeitungen nicht nur eine enorme Verarmung an Genres (Polemik, Parodie, Satire, Witz, Zote, Pamphlet, Powest, Sottise – all das wird zwischen immer gleich langen Nachrichten und Kommentaren aufgerieben), selbst Reportagen (Produktions-, Positions-, historische, analytische und biographische Reportagen z.B.) werden zunehmend (kindgerecht) standardisiert. Zu schweigen von experimentellen und deliranten Texten. Sogar die „Spielwiese“ Feuilleton hat sich mit ihren Kultursparten-Redakteuren diszipliniert, die zudem noch einer tagelöhnerischen Aktualität verpflichtet werden, weswegen ihre „Ereignisse“ bald nur noch aus Prominenz-„Jubiläen“ bestehen. Auch das ist Polizeidenken – man nennt es demokratisch bzw. zielgruppenorientiert: „Der Leser/Käufer will das!“
Grober Unfug. So wie die scheinliberale Forderung „Ausländer müssen Deutsch lernen!“ Jeder noch so blöde Ausländer kann sich hier besser verständigen als jeder noch so intelligente deutsche Polizist! Ich war dreimal in meinem Leben mit einer Bullentochter liiert und weiß, wovon ich rede. Der Vater ist laut Lacan das Gesetz. So weit, so dürftig. Wenn dieser aber auch noch das Gesetz derart verkörpern muß, daß er es zugleich beruflich exekutiert (die Macht agiert immer stumm: „Dies ist die dritte und letzte Aufforderung!“), dann stehen wir privat stets einem hilflos stotternden Idioten gegenüber. Witzigerweise ist das auf der anderen Seite – vor Gericht – genauso: Wenn die „persönlich“ erschienenen Polizeizeugen sich nicht hundertprozentig vorbereiten, machen sie sofort den Eindruck verstockt-debiler Vertuscher. Nicht ohne Grund verkleiden sich die Bullen beim Fasching noch heute am liebsten als Sträflinge.
All das wäre überhaupt nichts Neues – schon immer wurde das bei der Verwertung überzählige Halbstarken-Subproletariat vom Staat als Kanonenfutter bzw. für stumpfsinnige Sicherheitsaufgaben verheizt –, neu ist, daß jetzt beim Aufbau der US-Dienstleistungsgesellschaft in toto auf die Polizeidisziplin und ihr simples Täter-Opfer-Weltbild zurückgegriffen wird. Wenn der Spiegel die Hooligan-Gewalt mittels Rattenexperimenten erklärt – dann ist das ebenso Polizeidenken wie etwa das Regierungsprogramm von Schröder & Co oder das Beklagen des „Sicherheitsdefizits“ seitens Kiez-Grüner (in Kreuzberg z.B.). Soziale Phantasie und sozialforscherisches Denken werden von der staatsnachtragenden Linken auf diese Weise selbst liquidiert: „Niemand, der nicht im Gefängnis gesessen hat, weiß, was der Staat ist!“ (L. Tolstoi) Helmut Höge
wird fortgesetzt
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