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Neun Vermißte nach Hausexplosion

■ Wohnhaus in Steglitz vollständig eingestürzt. Ursache ist vermutlich Gasexplosion. Wohnungsunternehmen: Leitungen sind keine Gefahr

Durch eine Explosion stürzte gestern morgen gegen sechs Uhr ein viergeschossiges Wohnhaus in der Lepsiusstraße in Berlin-Steglitz vollständig ein. Es hinterließ einen tiefen Krater in der Häuserfront. Einsturzursache ist vermutlich eine Gasexplosion, weitere Einzelheiten waren bis gestern abend nicht bekannt. Insgesamt sind 21 Menschen sind in diesem Haus gemeldet, zehn Menschen befanden sich jedoch zum Zeitpunkt der Explosion nicht in dem Gebäude. Eine 41jährige Frau konnte sich selbst aus den Trümmern befreien, ein weiterer Mann wurde mit Prellungen und Schürfwunden geborgen. Bei Redaktionsschluß wurden noch neun Personen vermißt. Tote wurden noch nicht entdeckt.

Die Unglücksstelle glich gestern mittag einem Schlachtfeld. Zerfetzte Gardinen hingen an den Bäumen, Mauerteile lagen auf der Straße. Die Feuerwehr trug per Hand Stein um Stein ab, um ein Nachrutschen von Schutt zu verhindern. Insgesamt waren rund 400 Helfer von Polizei, Technischem Hilfswerk und Deutschem Roten Kreuz vor Ort.

Die Anwohner der anliegenden Häuser warteten während der Bergungsarbeiten darauf, ihre Wohnungen wieder betreten zu dürfen. Die Stimmung unter den Wartenden war bisweilen sehr angespannt. Klaus Klimas, Bewohner des angrenzenden Nachbarhauses, wollte endlich in seine Wohnung, durfte aber nicht. Umso mehr ärgerte er sich, daß Rainer Maass nach oben durfte, um seine Katzen zu evakuieren. „Ich hätte mir auch Katzen anschaffen sollen“, beschwert er sich.

In der Vergangenheit wurden Gasexplosionen in der Regel nicht durch kaputte Leitungen verursacht, betonte Christa Fluhr vom Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmer (BBU) gestern, „Explosionen werden fast immer durch Manipulation oder Selbstmörder hervorgerufen“. Heute gebe es keine undichten Gasleitungen mehr, da im Zuge der Heizungsumstellungen alle Hausleitungen erneuert worden seien. Die Gasag habe seit der Wende Straße um Straße die Leitungen im Ostteil erneuert.

Undichte Gasleitungen gebe es unabhängig von ihrem Alter überall, meint hingegen Marc Vincenz, Geschäftsführer von Gas-Control, einer unabhängigen, deutschlandweit agierenden Firma zur Überprüfung von Gasleitungen. „Wir messen bundesweit pro Monat mindestens fünf gefährliche Gasaustritte.“ So gebe es im Westen Berlins Probleme durch die Umstellung von feuchtem Stadtgas auf trockenes Erdgas. Dadurch seien die mit Hanf abgedichteten Gasleitungen ausgetrocknet und brüchig geworden. Nach Vincenz' Angaben sind im Ostteil der Stadt bei weitem noch nicht alle Gasleitungen überprüft worden. Eine regelmäßige Gaskontrolle gebe es nicht, da ein dem Gas beigesetzter Geruchswarnstoff die Beteiligten alarmieren soll. Die menschliche Nase gewöhne sich jedoch schnell an diesen Geruch und nehme ihn dann nicht mehr wahr, warnte Vincenz. Corinna Budras, Vanessa Erhard

Für die Opfer der Explosion wurden folgende Spendenkonten eingerichtet: Deutsches Rotes Kreuz, Berliner Commerzbank, BLZ 100 400 00, Kontonummer 8120701; Arbeiterwohlfahrt, Bank für Gemeinwirtschaft, BLZ 100 101 11, Kontonummer 1118603001.

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