Schröders windelweiche Pläne

Gerhard Schröder will ohne Ausstiegsgesetz mit der Atomindustrie verhandeln. Bestehende AKW-Genehmigungen sollen nicht angetastet werden  ■ Aus Hannover Jürgen Voges

Niedersachsens Ministerpräsident Gerhard Schröder will der Atomindustrie nicht weh tun. Ein schneller Ausstieg aus der Atomkraft auf dem Wege eines Ausstiegsgesetzes kommt für ihn nicht in Frage. Nach einem Regierungswechsel in Bonn würden die Konsensverhandlungen mit den Energieversorgern Priorität genießen, sagte gestern in Hannover Schröders Regierungssprecher Michael Jürdens. Joschka Fischer, Fraktionsvorsitzender der Grünen, bekräftigte dagegen gestern im niedersächsischen Neustadt, einen Ausstieg ohne Gesetz werde es nicht geben. „Schröder täuscht sich, wenn er glaubt, den Ausstieg mit den Grünen auf den St.-Nimmerleins-Tag verschieben zu können“, so Fischer.

Auf einem Ausstiegsgesetz für einen schnellen Ausstieg bestehen nicht nur die Grünen. Auch der niedersächsische Umweltminister Wolfgang Jüttner (SPD) arbeitet nach eigenen Angaben zur Zeit an den Grundzügen eines neuen Atomgesetzes, mit dem er die „Gesprächsbereitschaft der Energieversorger in den anstehenden Konsensgesprächen erheblich befördern will“.

Einen entsprechenden Entwurf hatte die SPD-Bundestagsfraktion bereits vor Jahren erarbeitet. Der umweltpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Michael Müller, will etwa im Zuge einer solchen Gesetzesänderung erreichen, daß die elf ältesten bundesdeutschen Atomreaktoren, die den heutigen technischen Anforderungen nicht mehr entsprechen und nicht mehr genehmigungsfähig werden, schnell vom Netz gehen müssen.

Demgegenüber will Gerhard Schröder in die Konsensverhandlungen mit der Atomindustrie hineingehen, ohne an einmal erteilten AKW-Genehmigungen zu rütteln. „Verträge sind einzuhalten“, lautet Schröders Devise. Daß das SPD-Programm den schnellstmöglichen Aussstieg festschreibt, ficht ihn nicht an. In Washington hat der SPD-Kanzlerkandidat jetzt noch einmal betont, daß seiner Meinung nach der Ausstieg mindestens zwanzig bis 25 Jahre dauern soll.

Da auch schon die jüngsten der 19 bundesdeutschen AKWs inzwischen ein Jahrzehnt auf dem Buckel haben, plant Schröder also mit Reaktor-Lebensdauern von 30 bis 35 Jahren, während die Stromversorger sogar 40 Jahre fordern. Doch weltweit laufen AKWs im Schnitt nur rund 25 Jahre, bis sie abgeschaltet werden müssen.

Die vom Spiegel zitierte Arbeitsgruppe, die sich angeblich im Auftrag von Gerhard Schröder Gedanken über einen schnellen Ausstieg macht, existiert denn auch gar nicht. Der anonym zitierte ehemalige Veba-Manager Werner Müller war nach Angaben der Staatskanzlei in Hannover zuletzt im vergangenen Jahr als Schröders energiepolitischer Berater tätig. Neuen Beratungsbedarf gebe es erst wieder, wenn nach einem SPD-Wahlsieg Konsensgespräche anstünden, sagte Regierungssprecher Jürdens.