Dem Alligator winken und zur Bar brausen

■ Country, Western, Cajun & Co. vor Baukran-Kulisse. Paar- und Walzertänze sind auch erlaubt. Steve Riley und die Mamou Playboys bei den Heimatklängen

Der Mensch lebt nicht nur von Geschwindigkeit allein. Tief ist sein Bedürfnis, gelegentlich zu schunkeln. Steve Riley & The Mamou Playboys verließen das sumpfige Hinterland von Louisiana und bieten im Tempodrom beides an: langsame Country-Walzer, schnellen Swamp-Pop und knackigen Rock 'n' Roll.

Ihre Heimatklänge, die derzeit für fast umsonst und draußen zu hören sind, nennen sich Cajun, sprich: keydschn. So werden die Bewohner westlich von New Orleans genannt, die Nachkommen eingewanderter und von Briten vertriebener Franzosen. Einmal in der Woche machen sie sich hübsch, springen aufs Motorboot, winken dem Alligator und brausen zur nächsten Bar: „Fais-do-do“ nennen sie ihr Stelldichein, einen Tratsch-und-Tanz-Abend der Generationen. „Allons danser!“ sagt und singt Steve Riley mit dem typischen charmanten englischen Akzent, ruft sein für die Deutschlandpremiere eingeflogenes Tanzpärchen auf die Bühne („damit ihr seht, wie das bei uns zu Hause aussieht“) und legt los mit seinem Cajun-Akkordeon. Schon mit 15 spielte er mit dem Druck- und Saugwind einer Quetschkommode, und er wird zum Meister der Knopfreihen. Dewey Balfa bemerkte das Talent und schnappte sich Riley für seine Band Balfa Brothers.

1988 formierten sich dann die Mamou Playboys, ein Haufen wahrhaft unterschiedlicher Charaktere: Kevin Dugas (saftige Drums) wirkt eher wie ein Truckdriver, Peter Schwarz am Baß (und, wie alle, Multitalent) eher wie ein BWL-Student. Doch zusammen mit Jimmy Domengeaux (Südlouisianas Gitarren-As) und David Greely an der Geige (perfektes Gefiedel!) gelten sie als die Cajun-Dancefloor-Kings, zappen durch die Stile und Nuancen zwischen Country und Zydeco Music.

Ihre Mischung macht den Erfolg: Sie kennen die Tradition ihrer Musik sehr gut, spielen Standards und Eigenkompositionen mit poetischen Texten. Riley und seine Spielmänner aus dem tiefen Süden frischen die Cajun-Musik mit modernen Elementen auf, daß selbst Ska-Fans gelegentlich aufhorchen.

Schön absurd die ganze Kulisse im Tempodrom: Wenige Pärchen schieben sich bei langsamem Walzer oder Disco-Fox umher, andere versuchen den Two-Step der Eintänzer zu kopieren, der Rest zappelt oder schunkelt, die Bühne mit den Playboys mutiert zum Saloon, und im Hintergrund rotieren die Baukräne der Stadt. Fehlen nur noch die Alligatoren in der nahe gelegenen Spree, denen auch wir gerne freundlich zuwinken würden! Michael Neubauer

Steve Riley und die Mamou Playboys: Fr.–So. ab 21.30 Uhr, Tempodrom, In den Zelten