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Debattieren auf der Insel

Gesichter der Großstadt: Catherine Kelleher, neue Direktorin des Aspen-Instituts auf Schwanenwerder, organisiert den Dialog der Mächtigen – unter Ausschluß der Öffentlichkeit  ■ Von Ralph Bollmann

Das Aspen-Institut ist ein Phantom. Fast jeder Berliner weiß, daß es irgendwie wichtig ist. Nur wenige aber wissen, was dort genau geschieht. Beides gehört zum Konzept: Ein „informierter Dialog“ der Mächtigen und Einflußreichen, so steht es in der Satzung der amerikanischen Institutszentrale, soll „die Qualität politischer Führung“ verbessern. Öffentlichkeit wäre da fehl am Platze – schließlich sollen sich die wenigen, aber hochrangigen Diskussionsteilnehmer in der Abgeschiedenheit der Aspen- Villa auf der Insel Schwanenwerder ohne unnötige Hemmungen austauschen können.

Diesen Austausch zu organisieren ist seit einem Vierteljahr die Aufgabe Catherine Kellehers. Die amerikanische Sicherheitsexpertin, zuletzt Sonderbeauftragte des US-Verteidigungsministers bei der Nato in Brüssel, folgt auf den Diplomaten David Anderson, der im vergangenen Jahr an Krebs gestorben war. Damit ist sie erst die dritte Direktorin, seit das Institut 1974 unter der Leitung von Shephard Stone gegründet wurde. Wie ihre beiden Vorgänger, die jeweils rund ein Jahrzehnt amtierten, hat auch sie sich auf einen langen Berlin- Aufenthalt eingestellt. Da muß sogar ihre neue Einbauküche als Beleg dafür herhalten, daß sie es ernst meint: „Es ist die beste, die ich je hatte.“

Einfach ist ihre Aufgabe nicht. Mit neuen Themen und Personen muß sie eine Antwort auf die Frage finden, welche Rolle das Institut nach dem Ende des Kalten Krieges noch spielen kann. Dabei steht sie in Konkurrenz zu neuen amerikanischen Einrichtungen in der Stadt wie der American Academy, die sich unbeschwert vom Frontstadt- Mythos mit einem viel breiteren Themenspektrum aus Wissenschaft und Kultur, Politik und Wirtschaft auf die neue Zeit einlassen und die interessierte Öffentlichkeit ansprechen kann.

Doch für Kelleher bedeutet die Academy keine Konkurrenz. Im Glanz der Öffentlichkeit dürfen sich gerne andere sonnen. Die Stärke des Aspen-Instituts sieht die Direktorin darin, Entscheidungsträger zusammenzuführen, um politische Prozesse unmittelbar zu beeinflussen – da gibt es für sie am Grundkonzept nichts zu rütteln. „Um offen reden zu können, müssen die Teilnehmer sicher sein, daß sie nicht zitiert werden“, glaubt Kelleher. Die Türen der Tagungsräume will sie daher allenfalls einen Spalt weit aufstoßen und in das eine oder andere Seminarprogramm eine öffentliche Diskussionsrunde einschieben.

Eine zaghafte Öffnung verspricht Kelleher auch bei Themen und Personen. An der außenpolitischen Ausrichtung des Instituts will sie nicht rütteln, die Außenpolitik aber breiter definieren – unter Einschluß von Wirtschaft und Technologie. Auch sollen sich, deutet sie vorsichtig an, auf künftigen Seminaren nicht nur Helmut Schmidt und Henry Kissinger ihrer eigenen Bedeutung versichern. Statt dessen will sie verstärkt jüngere Entscheidungsträger einladen und vor allem: mehr Frauen.

Oft genug fühlte sich Kelleher als Exotin unter den Militär- und Sicherheitsexperten. Als sie an der Kriegsakademie in Washington lehrte, „kommentierten 240 Studenten meine Frisur“, erst dann die Vorlesung. Auf Konferenzen erzürnte es sie, wenn jene Herren, die untereinander nur per akademischem Titel verkehrten, sie schlicht mit „Catherine“ anredeten. Doch Kelleher sann auf Abhilfe. 1987 gründete sie die Organisation „Women in International Security“, die mittlerweile mehr als 3.000 Mitglieder zählt, mit einem starken Schwerpunkt an der amerikanischen Ostküste. Auf ihren Konferenzen diskutieren die Expertinnen freilich keine frauenspezifischen Themen, sondern allgemeine Fragen der Sicherheitspolitik. „Frauen werden es nicht besser machen“, glaubt Kelleher, „aber auch nicht schlechter.“ In der komplizierter gewordenen Welt nach dem Ende des Kalten Krieges, „mit der auch kein Mann Erfahrung hat“, sei es schlicht unverantwortlich, „einfach auf die Hälfte des intellektuellen Potentials zu verzichten“.

Angesichts solcher Aufgaben bleibe auch die „deutsch-amerikanische Bindung“ eine „Schicksalsgemeinschaft“, sagt Kelleher. Zwar gehört es zu ihrem Job, so etwas zu sagen. Doch klingt es nach mehr als bloß professioneller Routine, wenn sie von ihrem neuen Einsatzort als künftiger „Hauptstadt Europas“ schwärmt und die Skepsis der Berliner zur Flucht aus der Verantwortung erklärt: „Die Leute hier müssen sich damit abfinden, daß sie jetzt dran sind.“

Kelleher muß es wissen, schließlich ist die neue Aspen-Direktorin eine alte Berlinerin. Als Fulbright- Stipendiatin an der Freien Universität erlebte sie 1961 den Mauerbau. Länger als ein Jahr konnte sie nicht bleiben, wollte sie ein Stipendium am renommierten Massachuesetts Institute of Technology (MIT) nicht verfallen lassen. Doch oft genug kehrte sie nach Berlin zurück, das für sie auch stets die Drehscheibe nach Osteuropa war. So lotste sie der Publizist Peter Bender, mit dem sie noch immer befreundet ist, Anfang der 80er Jahre nach Rußland – für eine Dozentin der Kriegsakademie eigentlich verbotenes Terrain.

Ein bißchen von der Atmosphäre eines Niemandslandes zwischen den Zeiten und Systemen hat sich die abgeschiedene Institutsvilla bewahrt, deren große Fenster den Blick auf den eigenen Bootssteg an der Havel freigeben. Doch bei allem Elitedenken scheint sich Kelleher eine Bodenhaftung bewahrt zu haben, die bei Europäern in solchen Positionen selten ist. Am Ende des Gesprächs trägt sie sogar die Kaffeetassen selbst hinaus.

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