: Ströbele goes Andy Warhol
■ Erstmals Grünenköpfe im Wahlkampf abgebildet: Der Parteilinke Ströbele sträubte sich zwar, doch nun prangt sein Konterfei auf einem Popart-Plakat
Lange hat sich der Kandidat gesträubt. Christian Ströbele, Gründungsmitglied der Grünen und linker Rechtsanwalt, hatte noch nie etwas für Plakate mit Politikerköpfen übrig. Für den Direktkandidaten im Wahlkreis Kreuzberg/Schöneberg warben die Grünen vor vier Jahren noch flächendeckend mit einem Poster des Comiczeichners Seyfried.
Doch diesmal können sich auch die Grünen nicht dem Sog zur Personalisierung entziehen. „In den letzten Wochen, wenn sich alles nur noch um Schröder oder Kohl dreht, können wir doch nicht mit Sonnenblumen für den Ausstieg aus der Atomkraft werben. Da ist man wie aus einer anderen Zeit“, meint Parteisprecher Andreas Schulze. Auch parteiintern hat sich diese Einsicht durchgesetzt. Die WählerInnen wollen schließlich wissen, welche Personen die politische Ziele der Grünen im Bundestag vertreten. In den letzten zwei Wochen werden auch die Grünen nur noch die Köpfe ihrer KandidatInnen plakatieren. Dazu riet nicht zuletzt die von den Grünen angeheuerte Werbeagentur Schirner. Der Entwurf des Ströbele-Plakates liegt im Safe der Grünen Parteizentrale in der Kreuzberger Oranienstraße. Erst Montag mittag wird der Schleier gelüftet. In einem Wahlkampf, in dem sich alles um Inszenierung dreht, dämmert es auch den Grünen, daß sie sich in Szene setzen müssen. Andrea Fischer, Spitzenkandidatin und gelernte Druckerin wird eigenhändig bei „Oktoberdruck“ die Druckmaschine in Bewegung setzen. Mit dieser kleinen Geste präsentieren sich die Grünen von ihrer harmonischen Seite: Fischer war Ströbele im parteiinternen Wettbewerb um das bundesweit einzige aussichtsreiche Direktmandat der Grünen unterlegen, konnte sich dafür aber als Spitzenkandidatin durchsetzen.
Auch der Ort des Geschehens ist mit Bedacht gewählt: Beim selbstverwalteten Betrieb Oktoberdruck ließ die Spontibewegung ihre Flugblätter drucken. Inzwischen ist die Firma zwar kein Kollektiv mehr, darf aber ein ökologisches Gütesiegel tragen. Kurz nachdem Andrea Fischer Montag mittag auf den Knopf gedrückt hat, werden die Druckmaschinen ein Popart-Plakat mit dem lachenden Konterfei von Christian Ströbele ausspucken, das stark an Andy Warhols verfremdete Fotografie von Marilyn Monroe erinnert. Ströbele mit seinen markanten Augenbrauen trägt mal einen knallgrünen Schal vor rotem Hintergrund, mal einen knallroten Schal vor grünem Hintergrund. Die grauen Haare des 59jährigen sind mal blau, mal lila eingefärbt.
Den 68er Ströbele in knalliger Popart zu präsentieren war eine Idee von Graphiker Thilo Jibtner. Leicht verfremdet ist allerdings nicht nur Ströbeles Kopf, sondern auch die Anleihe bei Andy Warhol. Ging es ihm mit seiner Popart doch um das Entlarven einer immer wieder reproduzierbaren, seriellen Kunst. Dies machen sich die Grünen nun für ihren Wahlkampf zunutze. Parteisprecher Schulze setzt auf den Multiplikatoreffekt der Medien: „Viel mehr Leute sehen das Plakat in der Zeitung, als auf der Straße.“ Dorothee Winden
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