piwik no script img

Mit argumentativen Klimmzügen zur schwarzen Null

■ Um ihre Finanzprobleme zu lösen, will sich die Weltausstellung Expo 2000 von der Umsatzsteuer befreien lassen. Experten halten das für rechtlich und wirtschaftlich bedenklich

Berlin (taz) – Die Expo 2000 in Hannover steht mächtig unter Druck. Seit bekannt wurde, daß das Projekt, das eigentlich eine „schwarze Null“ erwirtschaften wollte, 300 Millionen Mark Verlust machen könnte, hagelt es Kritik: Eine „ökonomische Lachnummer“, höhnte die FAZ, und der CDU-Politiker Manfred Kolbe forderte den Rücktritt der Expo- Chefin Birgit Breuel.

Der Weg aus der Krise soll über eine Steuerbefreiung führen: Der Verkauf von 40 Millionen Eintrittskarten soll 1,6 Milliarden Mark in die Kasse bringen; dafür möchte die Expo GmbH nicht 256 Millionen Mark Umsatzsteuer zahlen. Er werde sich dafür einsetzen, daß für eine Befreiung ein „Weg gefunden wird“, verkündete am Freitag Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt. Doch eine Befreiung ist rechtlich höchst zweifelhaft. Ob sie lohnt, ebenfalls.

Schon letztes Jahr beantragte die Expo GmbH vergeblich beim Bundesfinanzminister eine Befreiung. Zu den Aussichten des neuen Vorstoßes wollte sich eine Ministeriumssprecherin auf Anfrage nicht äußern. Nach der „Rechtslage“ sei eine Befreiung von Kultureinrichtungen wie Museen oder Zoos möglich. Für die Auslegung des Gesetzes seien aber nicht der Bund, sondern die Länderbehörden zuständig. Das klingt aus Expo-Sicht gut, denn demnach wäre Niedersachsens Regierung am Zug, die schon signalisierte, daß sie für die Befreiung ist.

Gleichwohl wäre das Geschenk rechtlich wackelig: „Eine schwierige Gratwanderung“, sagte Helmut Wieczorek, SPD-Bundestagsabgeordneter und Chef des Haushaltsausschusses. „Die Expo ist nicht nur eine Ausstellung deutscher Kultur, sondern hat einen kommerziellen Hintergrund.“ Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hält eine Befreiung europarechtlich „kaum für machbar“, wie ein Sprecher gestern sagte. Nach der 6. EG-Richtlinie dürfe es Steuerermäßigungen und -befreiungen nur für öffentliche Einrichtungen geben: „Da müßte man schon gewaltige argumentative Klimmzüge machen.“ Offiziell will sich die EU-Kommission dazu nicht äußern, ein Beamter sagte gestern nur, er sehe „wenig Kompatibilität“ mit EU-Recht.

Inzwischen fragen Experten auch, ob sich das Ganze lohnt. Nach einer Befreiung seien im Preis der Eintrittskarten nicht mehr 16 Prozent Steuern enthalten, meint der BDI. Wenn eine Firma der Expo Karten abkaufe, könne sie bei ihrer Steuererklärung diese 16 Prozent nicht mehr wiederbekommen – die Karten würden teurer. Außerdem: „Wenn ein steuerbefreites Theater eine Handwerkerrechnung mit Mehrwertsteuern bekommt, kann es sich die vom Finanzamt nicht wiederholen“, sagt Axel Gretzinger vom Bund der Steuerzahler. Georg Löwisch

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen