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Der stehende Kubaner als Thermometer

■ Seit sechs Wochen erspielen sich Luis FrankY Su Habana Tradicional eine explodierende Fangemeinde in Hamburg. Der Bandleader erklärt, warum das so sein muß

Inzwischen hat er sich herumgesprochen, der Mittwoch im Café Schöne Aussichten. Wenn allwöchentlich gegen 22 Uhr Luis Frank Y Su Habana Tradicional den ersten Bolero in die Sommernacht schicken, passt kein Fünfmarkstück mehr zwischen die Zuschauer. Die lateinamerikanische Gemeinde tritt geschlossen an, singt Wort für Wort mit und die kontinentalen Kuba-Fans dürfen sich fühlen wie Holsteiner Milchkühe unter Kubanischen Königspalmen. „Perfidia“, „El Manisero“, „Bilongo“, Pablo Milanes' Schmalzette „Yolanda“, das unvermeidliche „Guantamera“ – das Quintett aus Havanna zelebriert die Klassiker im alten Stil und auf höchstem Niveau. Selbst die gute alte Ché-Hymne „Hasta Siempre“ erfreut sich größter choraler Anteilnahme, was im von Haus aus keineswegs antiimperialistischen Café Schöne Aussichten ein eigentümliches Szenario abgibt.

Mit seinen 38 Jahren ist Bandleader Luis „El Macry“ Frank als Ex-Sänger der Ensembles von Roberto Faz, Elio Revé und Compay Segundo selbst schon so etwas wie ein Klassiker. Im Winter letzten Jahres gründete er Habana Tradicional. Schöne Aussichten-Mitbetreiber Uli Dunker holte die Gruppe nach Hamburg, wo sie während des zweimonatigen Aufenthalts auch eine CD produzierte. Luis Frank über Touristen, Kubaner und Fahnen am Grab.

In Havanna spielt ihr täglich im Hotel Inglaterra. Ist die Publikumsreaktion dort auch so frenetisch?

Genauso wie hier. Es kommen Leute aus Europa, USA, Japan, aus der ganzen Welt. Und wenn wir spielen, fangen sie alle an zu tanzen. Manchmal geben wir Konzerte draußen am Portal, da kommen dann auch viele Kubaner, und das ist für uns das Entscheidende: Wenn die Kubaner dich hören und weitergehen, dann taugt die Gruppe nichts. Aber wenn sie bleiben und tanzen, dann läuft die Sache. Der Kubaner ist das Thermometer um herauszufinden, ob die Gruppe gut ist – oder schlecht.

Warum hast Du Dein eigenes Ensemble gegründet?

Ich war immer ungeduldig. Ich habe mit den größten Musikern Cubas gespielt. Mit den größten! Aber wenn ein Künstler eine bestimmte Stufe von Popularität erreicht, möchte er sein Medium schaffen und im Mittelpunkt stehen. Das wollte ich auch.

Warum traditionelle Musik, warum nicht Salsa oder Timba?

Das ist die entscheidende Frage! Ich will mich gar nicht einmischen in die Debatte, welche Musik die beste ist. Aber: Der Vater aller Musik – und die Mutter – ist die traditionelle kubanische Musik. Die Puertorikaner sagen, sie hätten die Salsa erfunden. Alles Legende. Die Wurzel dieser Musik, die man Salsa oder Son nennt, ist die traditionelle kubanische Musik.

Ihr spielt bekannte Themen, aber viel von der Performance hängt an deinen Gesangsimprovisationen. Wo lernt man das?

Das kann man nicht lernen. Die Kubanischen Soneros sind nie zur Schule gegangen. Ich bin ein ausgebildeter Musiker, ich habe einen Abschluß, aber die Improvisation steht und fällt mit dem Künstler. Der größte aller kubanischen Sänger hieß, heißt und wird immer heißen: Beny Moré! Und wenn er improvisierte war es, als stiegen die Engel herab. Unglaublich. Ich hatte die Gelegenheit mit sehr guten Orchestern zu improvisieren und, ich will mich nicht rühmen, aber ich glaube ich bin ein sehr guter Improvisateur.

Apropos Improvisation: Ihr seid kürzlich mit den HipHoppern von Fettes Brot im Studio gewesen.

Die sind perfekt! Das war für mich sehr eigenartig, weil diese Musik ganz anders ist als unsere. Aber diese Jungs sind sehr gut, und sie machen es mit dem Herzen, als wären es Kubaner. Wir haben ein Stück für ihre CD aufgenommen, sehr schönes Ding.

Buena Vista Social Club, Afro Cuban All-Stars: Haben die Produktionen von Juan de Marcos Gonzalez und Ry Cooder die kubanische Musiklandschaft verändert?

Ich glaube schon. Daß Buena Vista Social Club einen Grammy bekommen haben, ist für die kubanische Musik ein unglaublich wichtig, denn es öffnet der gesamten traditionellen Musik Tür und Tor. Ich denke zur Zeit erleben wir den größten Boom traditioneller kubanischer Musik, den es je gegeben hat.

Seit den 30er Jahren sind sehr viele berühmte kubanische Musiker in die USA gegangen. Muß man immer noch ins Exil gehen, um Karriere machen zu können?

Ich glaube nicht. Außerdem könnte ich nirgendwo außer auf Kuba Musik machen. Wenn ich eines Tages sterben muß, und das muß ich, dann sollen auf meinem Sarg die Fahnen all der Länder liegen, in denen ich gewesen bin. Aber die größte Fahne soll die kubanische sein.

Interview: Christoph Twickel

Frank Y Su Tradicional Habana spielen noch heute und nächsten Mittwoch ab 22 Uhr im Café Schöne Aussichten. Der Eintritt ist frei.

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