: Weiter 84 Prozent für die CSU
■ BVerfG bestätigt Wahlverfahren für Bayerns Verfassungsrichter
Freiburg (taz) – Das bayerische Verfassungsgericht darf weiter als CSU-Filialbetrieb ausgestaltet werden. Dies entschied in einem gestern bekanntgemachten Beschluß das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Die bayerische Regierungspartei hat damit auch weiterhin das Recht, 84 Prozent der bayerischen VerfassungsrichterInnen zu berufen.
Diesen Zustand hatte in Karlsruhe der frühere GEW-Landesvorsitzende Reinhard Sigel per Verfassungsbeschwerde angeprangert. Der Grund für seinen Vorstoß: 1994 hatten die bayerischen VerfassungsrichterInnen ein Volksbegehren der Lehrergewerkschaft als „unzulässig“ abgelehnt. Die GEW hatte unter dem Motto „Keine Schule über 30“ gefordert, daß die Schulklassen in Bayern verkleinert werden. Auch früher lag der VerfGH in politischen Fragen meist auf Regierungslinie.
Für Reinhard Sigel lag der Fehler im System. Von 38 RichterInnen müssen 23 BerufsrichterInnen sein, diese werden im Landtag mit der einfachen Mehrheit, also von der CSU, gewählt. Weitere 15 Mitglieder des VerfGH werden nach der Stärke der Landtagsfraktionen bestimmt. Hier kann die CSU derzeit noch einmal 9 Positionen besetzen. Unter dem Strich bestimmt die CSU damit 32 von 38 RichterInnen. „In politischen Verfahren ist das kein unabhängiges Gericht mehr“, klagte Sigel.
In Karlsruhe wollte man allerdings keinen Streit mit den Bayern provozieren und ließ das seltsame Verfahren passieren. Zur Begründung hieß es, daß das Wahlverfahren die „sachliche und persönliche Unabhängigkeit“ der bayerischen VerfassungsrichterInnen nicht beeinträchtige. Die „innere Integrität“ der RichterInnen sei nicht vom Wahlverfahren abhängig. Allerdings, so eine Karlsruher Anmerkung, wäre es „verfassungspolitisch“ durchaus wünschenswert, auch in Bayern die VerfassungsrichterInnen mit Zweidrittelmehrheit zu wählen.
Nach der juristischen Niederlage will sich in Bayern nun ein breites Bündnis von den Jusos bis zur ÖDP engagieren. Per Volksbegehren soll ein „unabhängiges“ Verfassungsgericht geschaffen werden. Wie in Karlsruhe ist dabei für die Wahl der RichterInnen eine Zweidrittelmehrheit vorgesehen. (Az.: 1 BvR 2470/94)
Christian Rath
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