: Er hatte eine tiefe Stimme und den Blues
■ Der in Italien geborene Musiker Nino Ferrer schoß sich am Donnerstag eine Kugel in den Kopf, kurz vor seinem 64. Geburtstag
Paris (taz) – „Ich wäre gern ein Schwarzer“, hat Nino Ferrer gesungen. Das war 1969 und wurde ein Ohrwurm. Am Donnerstag ging er in ein Weizenfeld in Südfrankreich und schoß sich eine Kugel in den Kopf. Gestern sagte sein aus Kamerun stammender Saxophonist: „Er wollte immer ein Amerikaner sein, ein Nachfahre der Sklaven. Aber kein Afrikaner.“ Heute wäre er 64 geworden.
Augustino Ferrer, Nino, geboren in einer gutbürgerlichen Familie in Genua und aufgewachsen in Paris, liebte den Blues. Damit begann der Blonde mit den knapp überohrlangen glatten Haaren seine Karriere. Aber er sang fast immer auf französisch. Mit einer rauhen, tiefen Stimme und zu gut tanzbaren Rhythmen. Liebeserklärungen wie „Mirza – sie ist oh la, la, la“, Küchengedichte über Champignons und Gurken und verquere Balladen über das Telefon und eine Ode an den Süden machten ihn bekannt. Ende der 60er Jahre war er ein Liebling des Pariser Nachtlebens, war reich, fuhr offene Sportwagen und „hatte lauter schöne Frauen“, wie seine Freunde feststellten.
Als Nino Ferrer wenig später ernster und anspruchsvoller wurde und kompliziertere Texte und Musik vorlegte, spielte sein Publikum nicht mit. Er zog sich in ein südfranzösisches Landhaus zurück, wurde Öko-Freak und Einsiedler und meldete sich nur noch selten mit neuen Platten zu Wort. Bei seinen Konzerten verlangte das Publikum – auch das ganz junge – bis in die letzten Monate nach den alten Gurken, nach Mirza und nach dem Schwarzen. Nino Ferrer befriedigte diese Nachfrage immer lustloser. Er schimpfte über das Showbusiness, über die „Verseichtung“ der Kultur und über die Dominanz der „scheußlichen“ neuen amerikanischen Musik.
„Ich wollte ein Star werden“, sagte der Mann, dem sein Publikum keine Entwicklung zugestand, „aber das hat mein Leben nicht erfüllt.“ Seine 1993 herausgekommene letzte Platte heißt „Desillusionen“. Seit seine Mutter vor kurzem starb, machte der Musiker düstere Andeutungen. Als er am Donnerstag das Landhaus in Richtung Weizenfeld verließ, rief seine Frau bei der Gendarmerie an.
Wie beim Ableben beliebter Chansonniers üblich, meldeten sich gestern der Staatspräsident, der Premierminister und zahlreiche KünstlerkollegInnen bedauernd zu Wort. Dorothea Hahn
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen