piwik no script img

Eine Prüfung ist (k)eine Prüfung

■ Vier StudentInnen der Hochschule der Künste ziehen vor Gericht, weil sie nicht korrekt geprüft wurden. Heute will das HdK-Präsidium über eine gütliche Lösung mit den Klägern beraten

Für Manuela Warstat war diese Prüfung ein kleiner Alptraum. Den Film, den die Kunststudentin als Abschlußarbeit in die Hochschule der Künste mitgebracht hatte, würdigten ihre Professoren überhaupt nicht. 17 Minuten, das dauerte den sechs Hochschullehrern von der Prüfungskommission zu lange. Auch der Dialog über Warstats künstlerische Entwicklung war schnell beendet. Die Kunstprofessoren fragten sie, woher sie stamme. „Ich bin in Greifswald geboren“, antwortete die schwarze Deutsche. Den Prüfern blieb die Frage, warum sie, obwohl in Deutschland geboren, schwarz sei, im Halse stecken. „Ihr Vater kommt aus Guinea“, klärte jemand aus dem Hintergrund auf. Mehr wollte die Kommission dann auch nicht wissen. Nach vier Minuten war das laut Prüfungsordnung vorgeschriebene „Colloquium“ beendet.

Manuela Warstat hat die Prüfung zwar bestanden. Aber trotzdem ist sie eine der sieben AbsolventInnen des HdK-Kunststudiums, die an der Hochschule in Charlottenburg für ein absolutes Novum sorgten: Zum erstenmal ließen die HdK-Prüfer einen Teil der Studierenden nicht zu dem begehrten Meisterstudium zu. Ein Drittel der 21 Geprüften bekommt keinen Professor als Meister.

Das Meisterstudium schließt sich an das normale Studium an und hat einige Vorzüge: Meisterschüler verbleiben ein weiteres Jahr an der HdK, erhalten einen Atelierplatz und werden von ihrem Professor intensiv künstlerisch betreut. Voraussetzung dafür ist, daß sie ihr Studium mit „besonderem künstlerischem Erfolg“ bestehen. Manuela Warstat und drei weitere der Abgewiesenen klagen nun vor dem Verwaltungsgericht. Begründung: Die Hochschule hätte nicht ordnungsgemäß geprüft.

Die Hochschule der Künste vertritt den Standpunkt, daß die bisher praktizierte „laxe Praxis“ der Prüfungen nicht mehr möglich sei. Es herrsche ein „anderes hochschulpolitisches Klima“, begründet Sprecherin Astrid Stalmann den neuen Kurs. Eine Prüfung ist eine Prüfung, lautet das Motto. „Das Studium endet mit der Abschlußprüfung.“ Wer sie „mit besonderem künstlerischem Erfolg bestanden“ hat, wird zum Meisterstudium zugelassen. So steht es in der Prüfungsordnung, und darauf pocht die Hochschule der Künste.

Die Prüfung war keine Prüfung, ist das Argument der vier KlägerInnen, die gleichfalls auf die Prüfungsordnung pochen. „Die Abschlußprüfung besteht aus der öffentlichen Präsentation von Arbeiten aus dem Hauptstudium und aus dem Colloquium“, steht da. Aber von Colloquium, von einem Gespräch über die künstlerische Arbeit, so hat es den Anschein, kann keine Rede sein.

Nicht nur Manuela Warstat nämlich wurde mehr oder weniger ungefragt abgefertigt, wenn man einmal vom Interesse an ihrer Hautfarbe absieht. Auch ihr Kommilitone Dietmar Fleischer will ein „offensichtliches Desinteresse an seinem Mappenwerk“ festgestellt haben. Die Professoren seien an ihm „vorbeigerauscht“. Fleischer, im zehnten Semester, hat kein Problem damit, daß die Hochschule richtig prüfen will. Dann aber, sagt er, „darf ein Colloquium nicht ablaufen wie eine Visite im Leichenschauhaus“.

Die HdK hat die Widersprüche ihrer nur halb erfolgreichen Absolventen gegen die Prüfung formell zurückgewiesen. Hinter den Kulissen aber signalisiert der Präsident Lothar Romain Gesprächsbereitschaft – und gibt die Vorwürfe der Studierenden indirekt zu. „Unabhängig von den rechtlichen Aspekten des Vorgangs“, so Romain, habe er „Überlegungen für die Zukunft“ der Absolventenprüfung angestellt. Die Studierenden, konzediert Romain nun, was die Prüfungsordnung ohnehin vorsieht, sollten „Gelegenheit zu einem Vortrag bekommen und die Mappen sorgfältiger angesehen werden.“ Heute will das HdK-Präsidium über eine gütliche Lösung mit den Klägern beraten. Christian Füller

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen