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Statt Asyl will er fortan die Menschen erlösen

■ Thomas Mazimpaka aus Ruanda verzichtet auf ein Asyl in Deutschland. Sieben Jahre habe er gelitten. Nun hat er seine wahre Mission gefunden: den Menschen Gutes tun, im Auftrag des Herren

Berlin (taz) – Pressekonferenz in der Berliner Zentrale der IG Medien. Angekündigt ist, daß der ruandische Flüchtling Thomas Mazimpaka öffentlich seinen Asylantrag, den er vor sieben Jahren stellte, zurückziehen wolle – wegen der „beschämenden Asylpraxis in Deutschland“, wie es heißt. Ein Asylbewerber, der 40 Jahre alt und von Beruf Betriebswirt ist, dazu noch neun Sprachen spricht, will nicht mehr in Deutschland leben – „eine Schande“, kommentierte die taz vergangene Woche. Damit schien alles gesagt.

Thomas Mazimpaka spricht ruhig und bestimmt. Er streckt einen frankierten Briefumschlag in die Höhe und sagt, daß er den in den nächsten Briefkasten werfen werde. Addressiert ist der Brief an das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, darin steht, daß Mazimpaka seinen Asylantrag zurückzieht.

Während die Medienvertreter verständnisvoll nicken, setzt Thomas Mazimpaka an, um „die Hauptsache“ der Pressekonferenz zu verkünden. Sein ganzes Leben lang habe er auf diesen Tag gewartet. Er zitiert das Lukasevangelium: Ein Menschensohn werde kommen, um die Menschheit zu erlösen. „Dieser Menschensohn bin ich“, sagt Thomas Mazimpaka, „ich bin derjenige, der im Namen Gottes in die Welt kommen mußte, sich offenbaren, wie es in der Heiligen Schrift steht.“ Den Journalisten stehen die Münder offen. Hat man sich verhört, oder hat der da vorne wirklich gerade verkündet, der neue Erlöser zu sein?

Mazimpaka sagt, seine Aufgabe sei, den Menschen von Morgen Frieden und eine Welt ohne Waffen zu hinterlassen. Als Flüchtling habe er viel Gehässigkeit und Ablehnung erfahren, das habe so sein müssen. Mazimpaka hat sich nicht erst gestern offenbart. In seinem Buch: „Ein Tutsi in Deutschland“, das 1997 erschienen ist, schildert er die beschämenden Erfahrungen, die er in den vergangenen Jahren machen mußte. 1991 verließ er sein Heimatland Ruanda, wo der blutige Bürgerkrieg bereits ein Jahr tobte, und stellte einen Asylantrag in Deutschland. Seit nunmehr dreieinhalb Jahren wohnt er in einem Asylbewerberheim in Klingenberg-Colmitz bei Dresden. Sein Zimmer in einer ehemaligen Kaserne ist eine umgebaute Toilette. Erst vor zwei Monaten erfuhr Thomas Mazimpaka, daß die Bundesregierung bereits 1994 einen Abschiebestopp für alle Flüchtlinge aus Ruanda erlassen hatte.

Jetzt will Thomas Mazimpaka die Bundesrepublik so schnell wie möglich verlassen. Er wolle sowohl Israel als auch den Vatikan bitten, ihm Reisedokumente auszustellen. In Jerusalem wolle er seine Mission erfüllen, vom Vatikan aus seine Aufgaben erledigen.

Thomas Mazimpaka verkündet seine Botschaft, er verstehe, daß die Journalisten irritiert seien, meint er. „Verstehen Sie sich als Messias?“ Diese Frage beantwortet er solange, bis Ralf Melzer, Direktor des Berliner Anti-Defamation Forums (ADF), darum bittet, nur noch organisatorische Fragen zu stellen. Er sei selbst völlig überrascht von Mazimpakas Worten.

Dieser läßt sich von den kritisch und mitleidig dreinblickenden Journalisten nicht verunsichern. Er bleibt dabei. „Ich wußte, daß ich leiden muß“, sagt er, von seiner Mission sei er schon als Jugendlicher überzeugt gewesen, der Glaube habe ihm Kraft gegeben. Die Journalisten entläßt er mit der Aufforderung, seine Botschaft überall hin zu tragen, „denn alle sollen erfahren innerhalb kürzester Zeit von meiner Ankunft“.

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