piwik no script img

Polnische Schule droht zu scheitern

■ Wenige Tage vor Beginn des neuen Schuljahres gibt es erst ein halbes Dutzend Anmeldungen für die Vorklasse der neuen bilingualen Schule. Zum Schulstart sind aber 28 Kinder erforderlich

Die deutsch-polnische Europaschule wird voraussichtlich nicht im kommenden Schuljahr starten können. Der Grund: Bisher wurden kaum mehr als ein halbes Dutzend SchülerInnen für zwei Vorklassen angemeldet, sagte Volker Marquardt, Schulrat in Charlottenburg, gegenüber der taz. Geplant war, ab nächster Woche an der Goerdeler-Grundschule in der Charlottenburger Sybelstraße mit zwei deutsch-polnischen Vorklassen zu beginnen. 1999 sollte dann darauf aufbauend eine erste reguläre Klasse starten.

„Wenn sich im Laufe dieser Woche nicht genügend Vorkläßler finden“, so Marquardt, „müssen wir das Projekt um ein Jahr verschieben.“ Schuld daran sei, daß die Entscheidung der Schulverwaltung, einen polnisch-deutschen Schulzug zu starten, erst kurz vor den Sommerferien gefallen sei. „Normalerweise werden die Vorkläßler aber schon Anfang Januar angemeldet“, weiß er.

„Wir hatten den Entscheidungsprozeß nicht allein in der Hand“, begründet Almuth Draeger, Sprecherin der Schulverwaltung, die späte Genehmigung. Notwendige Absprachen mit den zuständigen Behörden im Partnerland Polen seien „nicht so schnell wie gewünscht“ möglich gewesen.

Der Charlottenburger Bildungstadtrat Andreas Statzkowski (CDU) macht jedoch die Schulverwaltung für die späte Bewilligung verantwortlich. „Schulsenatorin Stahmer war immer dafür, aber ihre Mitarbeiter haben das sehr lange herausgezögert“, moniert er. Von der Schulleitung der Goerdeler-Schule war keine Stellungnahme zu erhalten, da der Rektor momentan noch im Urlaub ist.

Die Kosten für die Vorklasse trägt das Land Berlin. Sogar eine muttersprachliche Lehrerin war bereits gefunden worden. Sie arbeitet momentan an einer normalen Grundschule und hätte ohne Mehrkosten übernommen worden können. Daß es bisher erst so wenig Anmeldungen gibt, liegt aber anscheinend nicht an mangelndem Interesse: So hat eine nicht repäsentative Umfrage des Bezirksamtes Charlottenburg unter polnischen Eltern, die bereits im Mai erfolgte, ergeben, daß „großes Interesse an einer solchen zweisprachigen Schule“ bestehe, sagt Bildungsstadtrat Statzkowski. Auf einer Informationsveranstaltung Anfang Juni, die von rund 80 Eltern besucht wurde, meldeten 21 Paare ihre Kinder provisorisch an, doch erst ein Dutzend machten die Anmeldung verbindlich.

In Berlin leben derzeit rund 28.000 Polen – somit die zweitgrößte nichtdeutsche Bevölkerungsgruppe nach den Türken. Die meisten Eltern, die eine solche Schule befürworteten, lebten in deutsch-polnischen Ehen, weiß der Bildungstadtrat: „Da ist eine Europaschule natürlich ein ideales Angebot.“ Jedoch sei das Interesse an der Einrichtung von ersten Klassen größer gewesen als an Vorklassen, berichtet Statzkowski. Der direkte Schuleinstieg ohne Vorklasse sei aber pädagogisch nicht sinnvoll, so Draeger.

In Berlin gibt es derzeit 12 Europaschulen, in Charlottenburg bereits zwei, eine spanisch-deutsche und eine englisch-deutsche. Julia Naumann

Weitere Information über die Schule sind bei Herrn Hirschfeld im Bezirksamt Charlottenburg zu erfragen. Dort können auch noch Kinder angemeldet werden. Telefon: 3430-6355

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen