Analyse: Geparkte Ohnmacht
■ Die Opposition in Birma hat nur wenig Möglichkeiten zum Protest
Heute läuft das „Ultimatum“ der birmesischen Opposition ab: Die Junta müsse spätestens bis zu diesem Tag das 1990 gewählte Parlament einberufen, hatte die Nationale Liga für Demokratie (NLD) der Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi gefordert. Doch jedes Ultimatum ist nur so gut wie die Fähigkeit, es auch durchzusetzen. Und die Opposition ist derzeit nur zu symbolischen Widerstandsaktionen fähig. Suu Kyi hat erklärt, sie würde keinesfalls zu Demonstrationen aufrufen, „weil wir unter allen Umständen ein Blutvergießen vermeiden wollen“.
Die traditionell politisch aktiven Studenten fallen aus, weil sie seit Mittwoch Prüfungen haben – verstreut in den Schulen des Landes. Zuvor waren die Universitäten über zwei Jahre geschlossen. So bleibt der NLD nur Suu Kyi, die zunehmend verzweifeltere Mittel einsetzt, um die internationale Aufmerksamkeit weiter auf die Repression in Birma zu lenken. Seit dem 12. August sitzt sie gemeinsam mit dem 72jährigen NLD-Politiker Hla Pe wieder in der tropischen Hitze in ihrem Auto vor einer Straßensperre außerhalb Ranguns. Wie mehrfach in den vergangenen Wochen hindern Soldaten sie daran, Mitglieder ihrer Partei zu besuchen. Gestern bot sie der Junta ihre Rückkehr an und verlangte im Gegenzug die Freilassung inhaftierter NLD-Angehöriger. Ihre Gesundheit sei angeschlagen, sagen ihre Ärzte, möglicherweise habe sie Hepatitis. Die 53jährige weiß sehr gut, daß die Generäle sie zwar zutiefst hassen, gleichzeitig aber eine Entwicklung wie in Nigeria fürchten, wo der Tod des inhaftierten Oppositionellen Abiola schwere Unruhen hervorrief.
Am Dienstag hatten die Militärs erstmals seit einem Jahr wieder einen Oppositionsvertreter getroffen. Ob diese Gespräche zwischen dem NLD-Vorsitzenden Aung Shwe und der Nr. 2 des Regimes, Geheimdienstchef Khin Nyunt, ein erster Schritt aus der festgefahrenen Situation sind, ist unklar. Eine Vermittlung durch die UNO, wie von Kofi Annan angeboten, lehnt das Militär ab. Bislang scheiterten alle Versuche einer Annäherung nach Ansicht der Opposition an unannehmbaren Bedingungen: Die Militärs wollen eine Verfassung verabschieden, die ihre Herrschaft zementiert. Wie beim alten Vorbild Indonesien soll ihnen ein Teil der Sitze im Parlament vorbehalten sein. Die Generäle könnten jederzeit den Notstand ausrufen. Die NLD hat jetzt wiederholt, einen formalen Dialog werde es ohne Suu Kyi nicht geben. Dies ist allerdings auch in der Opposition umstritten. Doch ohne die international bekannte Symbolfigur fürchtet die Führung der NLD, auch noch ihr letztes Druckmittel zu verlieren. Trotz der miserablen Wirtschaftslage könnte sich die politische Blockade noch lange hinziehen – verzweifelte Aussichten nach 36jähriger Isolation und Militärdiktatur. Jutta Lietsch
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