: Jung, schön und reich
Frauenzeitschriften huldigen nach wie vor dem Jugendkult – dabei ist ein Großteil ihrer Leserinnen älter als 40. Nun wollen sich Verlage und Werber offenbar erstmals auf erwachsene Frauen besinnen ■ Von Kerstin Meier
Mit dem Altsein ist es in Frauenmagazinen ein bißchen so wie mit dem Dicksein: „Nehmt es selbstbewußt!“ rufen uns Elle, Cosmopolitan, Amica und Allegra zu – und zelebrieren gleichzeitig ungerührt die schmalen Körper ihrer jugendlichen Models. Schenkt man den Marketingabteilungen Glauben, sind sie Abziehbilder des glamourösen Universums der Leserinnen. „Jung sollen sie sein, schön und reich – die Leserinnen einer heutigen Frauenzeitschrift“, bringt Marie Claire die Zielgruppen-Zauberformel in einer Broschüre für die Werbekunden auf den Punkt.
Damit allein ist das Bild der Durchschnittsleserin aber noch nicht vollkommen. Konsumorientiert, trendbildend und flexibel sollte sie sich mindestens fühlen, wenn sie eins der Hochglanzhefte kauft. Einleuchtend, daß sich die Verlage auf diesem märchenhaften Markt drängen: Acht Monatsmagazine „gehobenen Niveaus“ stehen mit einer Gesamtreichweite von knapp fünf Millionen zur Damenwahl. Besonders in diesem Bereich wurde in den letzten Jahren mit neuen Titeln und Konzepten um die noch jüngeren, noch klügeren und noch reicheren Frauen gefeilscht. Dazu kommen die 14tägigen Hefte Brigitte, Für Sie, Freundin und Journal für die Frau, die es bereits zu viert auf eine Reichweite von über elf Millionen bringen. Ihre treue Leserinnenbindung beschert ihnen jedoch auch ein mit der Zeitschrift gealtertes Publikum. Gerade bei ihnen ist das Gros der Käuferinnen jenseits der Traumgrenze der Werbewirtschaft: Fast 60 Prozent der Leserinnen sind bei Marktführerin Brigitte älter als 40, bei Für Sie sind es sogar nahezu zwei Drittel.
Die Zahlen signalisieren: Es gibt einen Markt jenseits der vierzig. Keinen von Werbern und Verlagsleuten erdachten allerdings, sondern einen natürlich gewachsenen. Dazu bekennen sich freilich die um ein marktgerechtes Image bemühten Zeitschriften nicht gern. Man gibt sich jugendlich, im höchsten Falle alterslos. Marktführerin Brigitte beispielsweise bemüht sich im redaktionellen Teil durchaus um seriöse Analysen weiblicher Probleme jenseits der vierzig – auf den Modeseiten vorn jedoch dominiert die unreifere Jugend. Das Prinzip ist dem der Filmdiven ähnlich, die an ihrem Geburtsjahr herummanipulieren, um für die Industrie begehrenswert zu bleiben. Doch jenseits des Zielgruppenalters von „Tic Tac Toe“ wirkt solches Verhalten bei Stars heutzutage längst weithin lächerlich.
So wie die Welt der Stars ist auch die Welt der Frauenmagazine aus Träumen gebaut. Und die Träume der Werbeindustrie werden nur wahr, wenn die Spekulation auf die Wünsche ihrer weiblichen Kundschaft aufgeht. Doch das jugendliche Image, mit dem die oft männlichen „Entscheider“ in Werbung und Verlagen auf die weibliche Kundschaft spekulieren, hinkt der gesellschaftlichen Entwicklung hinterher. Denn da scheint sich die erwachsene Frau längst auch Träume jenseits der vierzig zu gestatten.
Das Bewußtsein ist da. Auch bei den Werbern?
Hildegard Bode, die Vize-Chefredakteurin der Brigitte, gibt den Werbern die Schuld an der „Jugendfixierung“ – die sei eine Reaktion auf das Verhalten der Werbeindustrie. Peter Haenchen, Verlagsleiter bei Gruner + Jahr, sieht es ähnlich: „Der Werbemarkt wendet sich verstärkt an junge Zielgruppen. Wer an Anzeigen interessiert ist, wird diesen Bereich natürlich akzentuieren.“ Und da Zeitschriften viel stärker vom Geld der Werbekunden leben als von dem der Leser, zählt die Nachfrage der ersteren – selbst wenn man die Bedürfnisse der Konsumenten anders einschätzt.
Es seien die Werbeagenturen, die die Entwicklung nicht begriffen hätten, tönt es aus den Medienhäusern. Doch es könnte sein, daß der Bewußtseinswandel nun langsam auch die Werbeplaner erreicht. Bei den Verlagen der klassischen Titel war es die Not, daß die Leserinnen ihrer Produkte immer älter werden: Sie hat den Werbeverkäufern die Augen geöffnet. Nun versuchen sie, aus der ungeliebten natürlich gewachsenen Leserinnenschaft eine werbekompatible Zielgruppe zusammenzudefinieren und den Mediaplanern schmackhaft zu machen. Viel mehr als das griffige Etikett „Best Age“ kam dabei aber noch nicht heraus.
Keine Träume zwischen trendy und Kukident?
Doch wie tief verwurzelt die alten Bilder sind, zeigt sich daran, daß sich Generationswandel und neue Zielgruppendefinitionen noch nicht in einem eigenen Produkt für die Leserinnen jenseits der vierzig niedergeschlagen haben: ein Heft, das zeigen könnte, ob es jenseits von „jung und trendy“ und diesseits der Kukident-Klientel Stoff für Träume gibt, die ein Magazin tragen können. Denn eigene Wünsche hat die Zielgruppe wohl auch, wenn die äußeren Altersmerkmale immer mehr sich verwischen.
Doch dem neuen Anspruch wird auf dem Zeitschriftenmarkt kaum Rechnung getragen. Vor allem, wenn es um niveauvollere Magazine (jenseits von Prima Carina oder Frau im Spiegel) geht, stehen ältere Frauen schlecht da. Frauen, deren Interesse an Berufsportraits, Partyszene und Trendmode nachläßt, haben bislang kaum Alternativen. Dabei haben gerade viele der arrivierteren Damen mehr Zeit, mehr Geld und vor allem mehr Qualitätsbewußtsein als die Jugend. Sie müssen nicht mehr in coolen Clubs die Nächte durchmachen, haben keine Kleinkinder am Hals und können sich in klangvollere Namen als H&M kleiden. „Diese Frauen“, glaubt Maxi-Chefredakteurin Christine Bruhn, „entwickeln ihren eigenen, eher alterslosen Stil.“ Und weiter: „Natürlich sind sie in einer anderen Lebenssituation als junge Frauen, die noch keine feste Partnerschaft, keine Kinder haben, über weniger Lebenserfahrung verfügen. Insofern wird man für eine ,ältere‘ Zielgruppe einige Themen anders definieren.“ Betonung von Stil- und Qualitätsbewußtsein, Abkehr von Oberflächlichkeiten – daraus könnte sich ein Bild der erwachsenen Frau werden, das nichts mit dem negativ besetzten und schwer vermarktbaren Attribut „alt“ zu tun hat.
Wer auf alle setzt, vertreibt die Jungen
Denn natürlich wollen die Kundinnen dieser Altersgruppe wohl kaum ein Magazin, mit dessen Kauf sie sich als scheintot outen. Denn gänzlich unberührt vom Jugendlichkeitswahn bleiben die Frauen über vierzig natürlich auch nicht. Man müsse sich bemühen, „das Ältersein möglichst indirekt zu thematisieren“, glaubt Verlagsmann Haenchen aus seinen Marktforschungsdaten lesen zu können.
So würde auch Vizechefin Bode der Brigitte nie das Image des Magazins für ältere Frauen auf die Fahnen schreiben. „Man möchte nicht als ,alt‘ etikettiert werden“, so Bode, „egal, wie alt man ist. Das ist so wie mit dem Wetterbericht – gefühltes und reales Alter können unterschiedlich sein.“ Von der „Jugendfixierung“ möchte sie aber Abstand nehmen. Das Dilemma der Brigitte: Obwohl sie auf die „ganze Bandbreite“ (Bode) setzt, ist sie immer älter geworden, weil irgendwann zuwenig junge Leserinnen nachwachsen – die greifen nämlich lieber zu den zielgruppenspezifischen Heften Allegra oder Amica. In Zahlen ausgedrückt: In den letzten zwanzig Jahren stürzte die Brigitte-Auflage von 1,4 Millionen auf nur noch 940.000.
Dieses Problem des Älterwerdens hätte ein Titel, der sich gleich auf die neue Zielgruppe statt auf die ganze Bandbreite beschränkt, möglicherweise nicht. Als erstes scheint das der Springer-Verlag (Allegra) erkannt zu haben: Derzeit werkelt eine Entwicklungsredaktion emsig an Test-Ausgaben eines Magazins für Frauen über vierzig. Details wollen Verlag und Entwicklungsredaktion einstweilen freilich nicht preisgeben. Vielleicht wird bald also eine Marktlücke geschlossen. Die Frage der Jugendfixierung der Werbeindustrie allerdings bleibt weiter offen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen