: Der Boom, der abrupt endete
Die Asienkrise ließ Investitionen in Birma versiegen. Nun ringen ausländische Geschäftsleute mit einer rasanten Inflation und der unberechenbaren Politik der Junta ■ Aus Rangun Jutta Lietsch
Wenn er nicht die Miete bis Ende des Jahres vorausgezahlt hätte, „dann würde ich lieber heute als morgen dichtmachen und aus Birma verschwinden“, sagt der Taiwanese Han Kung-fei (Name geändert). Der Besitzer des China- Restaurants in der Nähe der Sule- Pagode von Rangun ist entnervt. Obwohl seine Gerichte lecker und preiswert sind, bleiben die Gäste aus. „Meine Stammkunden können es sich nicht mehr leisten, essen zu gehen“, klagt er.
Der taiwanesische Investor Han ist ein neues Opfer der schweren Wirtschaftskrise, die den kurzen Boom in Rangun Mitte der 90er Jahre längst abgelöst hat. Als Hans geschäftstüchtige Familie vor zwei Jahren beschloß, ihn nach Birma zu schicken, um dort mit der Investition von 30.000 Dollar ein Restaurant zu eröffnen, „da schien dies noch eine sichere Sache“, erinnert er sich. „Man konnte mit allem ganz leicht Geld verdienen.“
Die Freude währte nicht lange. Arbeitslosigkeit, Inflation von mindestens 50 Prozent und die unberechenbare Wirtschaftspolitik der Junta machen sein Geschäft kaputt. „Heute muß ich 15 Kyat für ein Ei bezahlen, das damals 7 Kyat kostete“, sagt Han. Besonders Importwaren werden teuer. In den letzten zwei Jahren fiel der Wert der einheimischen Währung gegenüber dem Dollar auf dem freien Markt von 130 auf 360 Kyat.
Nun muß Han für Gewürze und Zutaten aus Thailand zum Teil doppelt soviel zahlen wie zuvor. Kopfschmerzen bereiten ihm auch die wieder eingeführten Importbeschränkungen. Han darf nicht mehr im Ausland kaufen, was er will, selbst wenn er die Dollars dafür hat. Den Behörden muß er lange im voraus – und meist vergeblich – eine Wunschliste vorlegen. Grund: Die Devisenreserven des Landes sind so stark geschrumpft, daß sie nur noch für wenige Wochen reichen. Nach Angaben der Far Eastern Economic Review hatte Birma im Juli nur noch 50 bis 60 Millionen Dollar.
Deshalb schloß die Junta einen Teil der Grenzübergänge nach Thailand, über die traditionell der beliebte Geschmacksverstärker Glutamat ebenso wie Coca-Cola oder Johnny-Walker-Whiskey problemlos hereingeschmuggelt werden konnte. Zwar sind die seit über 30 Jahren schwarzmarkterfahrenen Händler dadurch nicht zu bremsen, aber die Ware ist viel teurer geworden.
Für Restaurantbesitzer Han kam der letzte Schlag, als er für sein Restaurant einen Generator kaufen mußte, der mit teurem Benzin angetrieben wird. Denn in der Hauptstadt ist der Strom rationiert, jeder Bezirk wird mindestens acht Stunden am Tag abgeschaltet. Die Regierung gibt dem Wetterphänomen „El Niño“ die Schuld: Die Stauseen im Norden, die Rangun mit Elektrizität versorgen, seien wegen der Dürre leer. Von anderer Seite heißt es hingegen, mehrere Turbinen und Generatoren seien ausgefallen und die Junta habe nicht genug Dollars, um sie reparieren zu lassen.
„Alles wird teurer, keine Kunden, und dann kommen die Steuereintreiber auch noch und verlangen Bestechungsgelder“, schimpft Han. „Die Regierung ist einfach unfähig.“ Dabei senkt er seine Stimme und guckt sich besorgt um, „weil die überall ihre Spione haben“. Der Zorn des Taiwanesen zeigt, wie miserabel die Stimmung unter ausländischen Investoren in Birma derzeit ist.
Eigentlich gehörten Leute wie Han in den letzten Jahren in den Augen des Militärregimes zu den liebsten Geschäftspartnern: Sie scherten sich nie um die Boykottaufrufe der Oppositionspolitikerin Aung San Suu Kyi. Ihnen war es völlig egal, ob die amerikanische oder europäische Regierungen von Sanktionen gegenüber dem Militärregime sprachen. Solange Geld floß, war alles in Ordnung.
Kaufleute aus Asien zählen zu den wichtigsten Investoren in Birma, seitdem die Generäle das abgeschottete Land vor zehn Jahren wirtschaftlich wieder öffneten. Wie viele von den damals zugesagten sieben Milliarden Dollar allerdings wirklich ins Land flossen, ist umstritten. Im dunklen bleibt auch, wie viele der investierten Gelder aus dem Drogenhandel stammen – Birma ist nach Afghanistan zweitgrößter Opiumproduzent der Welt.
Wichtigste Investoren aus den USA und Europa sind nach wie vor die Ölgesellschaften Unoco und Total. Sie bauen derzeit eine Erdgaspipeline nach Thailand, die dem Regime bald Einkommen von mehreren 100 Millionen Dollar jährlich verschaffen soll. Doch die Röhre ist noch nicht fertig. Und ob der ebenfalls von der Wirtschaftskrise geschüttelte Nachbar das Gas bezahlen kann, ist mehr als fraglich. Bangkok kündigte bereits an, es wolle neu verhandeln.
Obwohl die Regierung stillschweigend die vom abergläubischen Diktator Ne Win eingeführten 15-, 45- und 90-Kyat-Noten durch normale Einheiten (10, 20, 100, 200) ersetzt hat, ist ihre Geldpolitik immer noch erratisch: Um zum Beispiel zu verhindern, daß der Wert des Kyat gegenüber dem Dollar zu schnell fiel, ließen die Behörden Geldwechsler für ein paar Tage verhaften und entzogen anderen die Lizenzen.
Überall in Rangun stehen noch Wahrzeichen des Booms, der abrupt endete, als die Asienkrise die Investitionen aus der Region versiegen ließ. Dazu zählen riesige mangels Touristen und Geschäftsleuten leerstehende Hotels.
Dazu gehören auch die neuen Villensiedlungen im Westen Ranguns. Tausende stattliche weiße Häuser mit repräsentativen Säulen und großer Garage wurden hier hingestellt. Zu den Bauherren soll eine taiwanesisch-burmesische Investorengruppe gehören.
Wenige Kilometer weiter liegt ein ähnliches Projekt mit etwa 2.000 weißen Villen. Der Preis scheint günstig: rund 30.000 Dollar pro Haus. Für die winzige Mittelschicht ist dies allerdings unerschwinglich, und so stehen die Siedlungen leer. Langsam frißt sich schwarzgrauer Schimmel in die Wände.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen